Bei Bier und Tränengas


Ort: Santa Cruz, Bolivien
Zeit: 24.10.2007
Aktivitaet: Mailen und Bier Trinken


Auf dieser Reise verbringe ich 5 Wochen in einem dem zentralen Suedamerikanischen Andenstaaten. Meiner Erfahrung nach ergeben sich fuer diesen Zeitraum folgende Wahrscheinlichkeiten: 1.) 10% einen Generalstreik zu erleben, 2.) 70% von einer Strassen-, Bahnhof- oder Flughafenblokade aufgehalten zu werden, 3.) 200% eine Demonstration zu erleben (also 2 Demos) und 4.) 65% wichtige Strasse auf meiner Route ist nicht befahrbar (uberflutet, wegeschwemmt, etc.). Uebermorgen fliege ich nach Hause. Wie es aussieht komme ich um den Generalstreik herum. Auch der Viru Viru Flughafen war schaon einem Tag vor meinem Flug von Sucre wieder geoeffnet. Bis jetzt sonst waren alle Strassen offen und ich habe erst eine Demo in La Paz gesehen. Sieht also ganz gut aus dieses mal. Oder doch nicht?


Ich sitze im Internetcafe. Die Leute draussen schauen aufgeregt auf die Strasse an der Plaza. Es dringen Autonimia Rufe herein. Eigentlich bin ich gerade mitten drin was laengeres zu schreiben, bin voll im flow. Trotzdem ringe ich mich auf, kurz aus dem Cafe heraus zu gehen und mir die Strasse anzusehen. Tatsaechlich windet sich ein Demonstartionszug durch die Stadt. Ein Meer von gruen-weis-gruenen Fahnen laesst sofort erkennen, dass es sich um die Autonomistenbewegung handelt. Die Region um Santa Cruz ist vergleichsweise reich. Industrieanlagen, eine nach US-amerkianischen und brasilianischen Vorbild organisierte industrialisierte, Soja und Fleisch produzierende Landwirtschaft und Oel- und Gasquellen spuelen Geld in die Kassen. Geld in die Kassen der reichen Elite, die das Buisness beherrschen und auch in die Staatskassen. Demnach gibt es einige, die meinen das Geld sollte besser in der Region bleiben anstelle den armen Rest des Landes damit zu unterstuetzen. Sie fordern mehr Unabhaenigkeit und weniger Evo Morales fuer sie - Autonomie.

Entsprechend organisieren sie sich und machen auf der Strasse Druck dafuer. Neulich haben sie den internationlaen Flughafen lahmgelegt, nur um ein Haar war ich nicht betroffen. Streiks und Blockaden sind ein beliebtes Mittel sich durchzusetzen. Jede einigermassen Starke Lobbygruppe nutzt dies und entsprechend wenig geht im Land. Der Taxifahrer neulich, angehoeriger einer Schicht die genug damit zu tun hat ueberhaupt durchs Leben zu kommen, somit auch Evo Morales Anhaenger, meinte: die meisten der Demonstranten auf der Strasse sind eh gekauft. Eine Minderheit von starken Geschaeftsleuten bezahlt diese, damit sie auf die Strasse gehen. Sie haben keinen Bock auf Morales Linksruck und wuerden lieber das Land mit einem privatisierten Flughafen oder Wasserversorgungsnetz abzocken. Noch gehoert dies aber dem Staat.

Nach einer Weile wird das Blechtor am Eingang der Shoppingmall, in welche das Cafe liegt geschlossen. Die Einheimischen sind aber vergleichsweise ruhig und gehen nun ueber die verbliebene Tuer ein und aus. Da ich gerade so gut im Flow bin kann ich nicht ablassen. Schlimm kanns ja nicht sein, solange die so ruhig sind. Immer wieder lassen sie Kracher los. Als die ersten mit Tuechern vorm Mund reinkommen und ihnen Wasser ueber die Wangen laueft, realisiere ich, dass die Kracher doch Traenengasgranaten waren. Man kann nicht genau sehen was los ist. Cool unterhalten sie die einheimischen in der Mall. Ich beschliesse erst mal die Geschichte fertig zu schreiben, wird schon nicht schlimmer werden und vielleicht ists bis dahin ruhiger.

Eine Stunde spaeter sieht es immer noch nicht besser. Ich bin fertig mit der Geschichte. Da ich Hunger und keinen Bock auf Aerger habe verziehe ich mich in den Irish-Pub einen Stock hoeher in der Mall. Biertrinkend auf dem Balkon sitzend sehe ich dem Treiben auf dem Platz zu. Sie zuenden weitere Traenengasgranaten. Es sind aber keine Schwerbewaffneten zu sehen. Alles in Butter. Irgendwann geht eine Traenengasgranate unter dem Balkon los. Also umziehen. Drinnen geselle ich mich zu einem Kiwi (Neuseelaender) und bestelle mir ein Cordon Bleu. Er reist mit einem Stockregenschirm und ich habe ihn schon in Potosi kennengelernt. Er gibt mir Tipps, wie man am besten ein Land kennenlernt. Sprache lernen, eine oertliche Freundin finden. Soweit kenne ich das und gebe ihm recht. Mit geschaetzten 50 Jahren hat er aber schon mehr Erfahrung. “Wenn du sie heiratest, dann lebe in ihrem Land. Heirate nie eine Ungebildete…” Diese Fehler hat er mit China schon hinter sich. Jetzt lernt er spanisch und bereist Suedamerika um ihm bekannte Damen und potentielle Novias, Girlfriends zu besuchen. Er ist optimistisch. Wir drinken noch zwei Bier zusammen. Um halb zwoelf ist es dann ruhig auf der Strasse. Ich hatte acht Bierchen hinter mir, wunesche dem Kiwi viel Glueck und mache mich auf den Heimweg. Die Luft ist mit einer leicht reizenden Note parfuermiert.

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