Illampu Trekking

Illampu Trekking

Ort: Cordillera Real / Sorata / Bolivien
Zeit: 17.09. - 22.09.2009
Aktivität: Hochgebirgstrekking zwischen 3300m und 4800m
Dabei: José, Chico Mula und Seniora Mula
Inside: Bericht, Bilderalben und Panoramen


 


Tag 0 | La Paz - Sorata - Quilambaya (Anreise mit dem Auto, Mi. 16.09.2009):

 

Es ist 5:30 Uhr als mich Robert Rauch von meinem Hostal abholt. Robert ist ein seit langen Jahren in Bolivien lebender deutscher Ausnahmebergsteiger und Mountain Guide. Zwar fliegt er am Sonntag wieder nach Deutschland, doch hat seine alten Verbindungen bemüht und mir am Vortag in stundenschnelle eine Tour vermittelt. Er lässt es sich nicht nehmen mich persönlich von La Paz nach Sorata im privat PKW zu fahren. Früher war die Reise zu Roberts langjährigen Wohnsitz eine Tagesreise. Dank dem neu geteertem Highway und der Stauvermeidung durch die frühmorgendliche Fahrt dauert unsere Fahrt gerade mal drei Stunden. Vom Altiplano, der Hochebene Boliviens, aus haben wir rechts von uns stets die begrenzende Gebirgskette der Cordillera Real im Blick. Gletschergekrönte Fünf- und Sechstausender reihen sich auf und senden ihr leuchtendes Weis im ersten Morgenlicht.


Im Residential treffen wir uns mit José, meinem Guide für die nächsten zwei Wochen. Wir machen erste Absprachen bevor wir zunächst in einem Tante Emma Laden und dann auf dem Markt die Vorräte für das Trekking einkaufen. Überall trifft Robert alte Bekannte und hält einen Plausch über interessante Gegebenheiten. Mit diesen Geschichten allein könnte man Bücher füllen. Am Nachmittag haben wir noch etwas Zeit um uns den Stierkampf anzusehen. Ein unblutiges Spektakel das eine dreitägige Fiesta beendet. Einmal wird es richtig heiß, als ein Stier die primitiv gebastelten Umzäunung durchbricht und durch das Publikum rennt. Es ist aber niemand ernsthaft verletzt worden.


José lädt uns zum Abendessen zu sich nach Hause ein. "Für mich brauchts das nicht." antworte ich auf die Frage ob er Meerschweinchen schlachten soll. Noch einmal begeben wir uns ins Auto um die neu gebaute Carritera von Sorata nach Quilambaya hochzufahren. Es ist eine windig den steilen Sedimenthängen abgetrotzte Schotterpiste mit engen Serpentinen. Mehr als die ersten beiden Gänge braucht man da nicht.


Oft habe ich solche Siedlungen im vorbeigehen schon gesehen, nun betrete ich zum ersten mal die typischen Siedlungshäuser. Es sind einfach gebaute Lehmhütten mit Wellblechdächern. José führt uns in die Küche, ein extra Gebäude von vielleicht 1,5x3m Grundriss und kaum hoch genug für Europäer zum drin stehen. Die Ausstattung ist einfach: Ein Lehmofen auf dem Boden dessen Rauch durch den Raum abzieht, ein Regal, eine Pritsche und eine handvoll niedrige Hocker. Strom gibt es hier noch nicht, eine einsame Öllampe an der Wand spendet spärliches Licht. Josés Frau und ihre sechs Kinder leisten uns Gesellschaft, verstärkt durch ca. 20 in der Küche lebende und umherquiekende Meerschweinchen. José entschuldigt sich für die einfachen Verhältnisse und schämt sich offensichtlich als wir Bilder machen. Dies sind die durchschnittlichen Lebensverhältnisse einer bolivianischen Familie, die meisten Touris bekommen das nie zu sehen. Im Umkehrschluss schäme ich mich für den verglichenen Endlosschnickschnack den ich für die Reise mitgebracht habe. Nach dem leckeren Abendessen werden Robert und ich zu unserem Nachtquartier geführt: einem mini Tante Emma Laden unterhalb des Hauses. Zwischen Eiern, Limonade und Dosentomaten machen es uns mittels Isomatten und Schlafsäcken bequem.

 


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Tag 1 | Quilambaya - Estancia Lackathiya - Campingplatz unterhalb Abra del Illampu [Abra=Pass]

Nach dem Frühstück bei José verlässt uns Roberto, wie Robert hier genannt wird, in Richtung La Paz. Ich bin nun allein mit meinem Guide und meinem ärmlichen Spanisch, aber fühle mich wohl. Es geht gemütlich an. Josés Vater führt unsere Maulesel herbei. Es ist schon später Vormittag als Chico Mula und Senoria Mula beladen werden.


Wir steigen gemütlich ein schönes Tal hoch, immer wieder mit unglaublichen Ausblicken auf das gewaltige Illampu/Ancomua Massiv, das wir in 7 Tagen umrunden wollen. In Estancia Lackathiya, einer kleinen Campensino-Siedlung begegnen uns zig vollbeladene Mulis. José erklärt mir, dass sich 15 Franzosen am Illampu versucht haben. Es ist der Sechstausender Bolivens mit dem schwierigsten Normalweg, AD-D bewertet, mit grob IIIer Kletterei und grob 60 Grad Firn/Eis über 300hm, je nach Verhältnissen. Das ganze dann zwischen 5000 und 6368m Höhe. Nix für mich. Zumindest noch nicht.


Wir machen Mittagspause mit Tunfisch, Tomate und Brot. Ich könnte Stundenlang so sitzen und die Bergriesen und die ewig weiten Täler bewunden. Wohin man sein Auge auch wandern lässt gibt es immer was zu bestaunen, von gewaltigen Gletschern bis hin zu Campesinos die in unglaublichen Höhen noch Äcker mit dem Ochsengespann pflügen.


Auf 4310m schlagen wir unser Lager auf. Den letzten möglichen Zeltplatz unter dem Abra del Illampu Pass mit Wasser teilen wir uns zunächst mit Ilamas und Schafen. Wir halten eine Stunde Siesta bevor José uns noch Tee, eine Erbsensuppe und Reis mit Gemüse zaubert. Es ist nacht und somit ein paar Grade über Null kalt als wir mit dem Essen fertig sind. Gegen halb acht wünsche ich José buanas Noches und verkrieche mich in den selig warmen Daunenschlafsack.

[lt. Hoehenmesser: Aufstieg: 1060 hm, Abstieg: 60hm, hoechster Punkt: 4310m, Lager: 4310m]


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Tag 2 | Campingplatz unterhalb Abra del Illampu - Paso Loca Mula (Abra del Illampu) - Illampu Tal - Estancia Yapapata - Campingplatz unterhalb Abra Ckorahuasi

Es hat bereits eine Stunde Tageslicht, ist aber immer noch saukalt als ich mich um Sieben aus dem Zelt quäle. Unsere Trekkingmorgende sind faul. Ganz gemütlich gibt es Tee und anschließend Haferbrei mit Rosinen. Ich erkläre José, dass das bei uns Comida de Abuelas ist, meine Oma hatte das immer gegessen. Hier schmeckt es mir aber ausnahmsweise.


Es ist bereits Neun als wir zum Abra del Illampu Pass aufbrechen. Wir lassen es langsam angehen. Oben angekommen machen wir eine kurze Pause als plötzlich Chico Mula durchdreht. Er schüttelt sich solange wild, bis die auf ihm ursprünglich gepackten Essensvorräte auf dem Boden liegen. Zum Glück kann José den nicht angebundenen Muli gleich wieder einfangen. Weder dem Essen noch sonst jemanden ist was passiert. Schön, so können wir unseren Weg problemlos fortsetzen. José benennt den Pass darauffolgend in Paso Loca Mula, den Pass des verrückten Mulis, um. Ich sollte dem Alpenverein schreiben, dass dies bei der nächsten Kartenrevision angepasst wird.


Jetzt geht es zunächst den Illampu Bach und dann im einem größeren Tal den Illampu Fluss hinunter. Wir passieren die Estancia Yapapata Siedlung. Einfache Häuser und Steineinfriedungen um die Felder und als Pferche. Mir fallen immer wieder kleine hintereinander angeordnete Wasserbecken auf. José erklärt mir, dass dies zum Konservieren von Kartoffeln dient. Diese passieren mehre Tauchbäder und werden zwischendurch in Frostnächten getrocknet. Somit halten die Früchte über drei Monate unter normalen Umgebungsbedingungen. Kühlschränke oder Kartoffelkeller kennt man hier ja nicht.


Wir zweigen nach rechts in ein drittes Tal ab um gleich darauf über den Fluss zu springen um links in sich oben öffnendes viertes Tal hineinzuqueren. Zu dessen Begin eröffnet sich eine schöne Zeltmöglichkeit mit Ausblicken auf den Pico Norte am Illampu. Obwohl es noch früh ist bleiben wir dort. José zaubert zunächst noch eine frische Ananas aus den Packsäcken um später Nudelsuppe und Pasta mit Gemüse und Fisch aufzutischen. Die Wellnesstrekkingvariante mit Tragetieren hat schon was für sich.


[lt. Hoehenmesser: Aufstieg: 810 hm, Abstieg: 1140hm, hoechster Punkt: 4741m, Lager: 4200m]


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Tag 3 | Campingplatz unterhalb Abra Ckorahuasi - Abra Ckorahuasi - Laguna Subirana Khota

José kommt, nach dem ich erste Leben zeige, an mein Zelt. Es seien Touristen mit einem Bergführer vorbei gekommen und hätten berichtet, dass Sie in der Nähe der Laguna San Fanzisko bedroht worden wären und somit den Illampu Circuit abbrechen und zurückkehren würden. Genaues verstehe ich aufgrund meines bescheidenen Spanischs leider nicht. José rät mir über die Tour nachzudenken, er schlägt alternativ einen Rückweg über eine Wegvariante vor, überlasst die Entscheidung aber mir. Dass dieser Abschnitt nicht ganz sicher ist, habe ich schon mehrfach vorher gehört und gelesen. Da es mir in der Hauptsache um die Akklimatisierung und eine schöne Zeit in den Bergen geht habe ich keinen Lust auf potentiellen Ärger und gebe José Bescheid, dass ich auf die Umrundung verzichte. Wir vereinbaren noch einen Tag weiterzugehen, dann umzudrehen und über einen anderen Pass nach Quilambaya zurückzukehren.
Folglich lassen wir es heute langsam angehen. José ruft zum Frühstuck. Comdia de Abuela ruft er, heute aber nochmals mit frischen Bananen gepimpt. Richtig lecker wird es, als er Brot im Topf tostet und wir das scheibenweise mit Erdbeermarmelade futtern. Abgenommen habe ich bei diesem Trekking nicht.


Wir steigen noch 250m zum Abra Ckorahuasi Pass auf. Ich frage José nach dem Hintergrund der verbrannten Grassträucher am Weg. Es ist eine Art Steppengras, dass im ausgewachsenen Zustand dürr und stachelig ist. Einheimische brennen die dürren Halme ab, die Wurzeln überleben das und der Strauch bildet frische grüne Triebe. Diese wiederum sind zart und den Llamas ein beliebtes Futter.


Kurz schon nach Überwindung des Passes erreichen wir die Laguna Subirana Khota. Bereits am Pass haben wir erste Hagelkörner abbekommen, hier scheint es sich aber einzuregnen. Wir vereinbaren gerade noch zwei Stunden zu einem weiteren See aufzusteigen als Chico Mula ein weiteres mal durchdreht. Wieder schüttelt er alles von sich, diesmal rennt er aber los und José hat keine Chance ihn zu halten. Wir suchen noch kurz die verstreuten Sachen zusammen, dann verabschiedet sich José mit einem voy a volver. Dass seine Rückkehr aber so lange dauert habe ich zunächst nicht gedacht. Erst nach 1:45 Std. taucht er erschöpft mit dem Muli wieder auf. Später philosophieren wir noch etwas über die Gründe. Der arme junge Muli kennt die Route noch nicht und hatte wohl Heimweh, vielleicht auch nicht zuletzt weil es zu Hause 15 Grad wärmer ist.


In der Zwischenzeit habe ich die Sachen so gut es ging vor dem Regen geschützt und angefangen mein Zelt aufzubauen. José ist nicht sehr traurig als ich dem Entschluss heute hier zu bleiben mitteile. Den Dauerregen kommentiert José mit einem poco loco. Ein wenig verrückt wäre das, es ist nicht normal dass es um diese Jahreszeit, der Trockenzeit, regnet.


Beim Abendessen widmen wir uns gemeinsamen Tagträumen von einer Pizzeria hier am einsamen See und zugehörigen Italienerinnen. Bei der Getränkewahl sind wird aber uneins, ich plädiere für Vino Tinto, José meint er hätte sich eher ein Bier verdient. Müssten sie halt beides her tun. Dann wenden wir uns der Realität zu und futtern das Würstelgulasch mit Pasta aus der Campingküche und trinken Tee.


Zu Beginn der Nacht klart es schließlich auf und dieser unbeschreibliche Sternenhimmel zeigt sich wieder. Wir geraten ins schwelgen und ich muss ein wenig lächeln als mich José fragt, ob es in Deutschland auch Sterne gäbe. Die Welt der Menschen hier ist klein aber schön. Ich antworte ihm, dass es schon welche gäbe, aber nicht so viele und so schöne. Jetzt lächelt er stolz. Dabei habe ich noch nicht einmal gelogen. Hier gibt es kaum Schmutzlicht und die lichtschwächende Atmosphäre ist hier ebenfalls dünner, die Sterne sind also tatsächlich mehr, klarer und schöner.

[lt. Hoehenmesser: Aufstieg: 620hm, Abstieg: 230hm, hoechster Punkt: 4479m, Lager: 4430m]


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Tag 4 | Laguna Subirana Khota - Abra Ckorahuasi - Anco Huma Jahutra Tal - Campingplatz unter Huila Khota Pass

Wehmut kommt auf, es ist der Umkehrpunkt, also unser Abbruch, und der Ärger mit dem Muli krämt uns auch noch etwas. José klagt über Muskelkater. Wir lassen es langsam angehen und sehen nach dem Frühstück den Kampf der Wolken aus dem Tal mit der klaren Luft obern in den Bergen vom Hügel über der Laguna an. Schließlich packen wir zusammen und gehen über den Abra Ckorahuasi Pass zurück um am Zeltplatz vom Vortag Mittagspause zu halten. Kondore kreisen in der nähe. Mit bis zu drei Metern Flügelspannweite sind es die größten Landvögel und beeindrucken auch aus der Ferne.


Vom Zeltplatz aus schlagen wir dann die Wegvariante zum Huila Khota Pass als alternativen Rückweg ein. Im Talgrund begegnen wir nach vier Tagen den ersten Touris. Eine große Gruppe mit Komplettversorgung. Sie ist mit dem Führer unterwegs während wir an deren Zeltplatz schon die Eseltreiber und Köche das Küchen-, das Ess- und die Schlafzelte aufbauen sehen. Ich habe nicht so recht bock auf diese Meute und laufe mit einem flüchtigen hola, buenas dias Gruß an ihnen vorbei.


Wir steigen noch ein Stück den Talschluss hinauf um einiges unter dem Pass bei verlassenen Ruinen unsere Zelte aufzuschlagen. Links wäre die Pizzeria und rechts die Disko, José lacht als er auf die beiden Reihenhausruinen zeigt. Suppe und Salzkartoffeln mit Gemüse aus Josés Zaubertöpfen sind aber auch ganz o.k.


[lt. Hoehenmesser: Aufstieg: 680hm, Abstieg: 710hm, hoechster Punkt: 4479m, Lager: 4300m]


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Tag 5 | Campingplatz unter Huila Khota Pass - Huila Khota Pass - Estancia Lackathiya

Wieder völlern wir Erdbeermarmelade auf Toast zum Frühstück. Herrlich dieses Wellnesstrekking mit Packtieren. Dazu ist heute endlich wieder prima Wetter, zumindest hier. Ein Blick zurück auf den gestrigen Weg zeigt, dass uns sogar das Wetter für die Umkehr belohnt. Dort ist immer noch alles mit Regenwolken verhangen.


Beim Aufstieg zum Huila Khota Pass muss ich ständig aufpassen nicht zu stolpern. Diesmal sind wir noch näher und höher am Illampu Massiv mit dem Pico Norte, dem Illampu selbst und dem Pico Schulze. Eisgekrönte Traumberge mit gigantischen Fels- und Gletscherflanken. Ich kann bei der Aussicht kaum den Blick auf den Weg lenken. Am Huila Khota Pass schließlich angekommen steigt Kopfweh bei mir auf. Meine Akklimatisation ist wohl noch immer nicht perfekt. Wir steigen noch eine Stunde bis zur Mittagsrast ab. Suerte Maria Vögel, häufig vorkommende Aasfresser, trotzen dem Jose einige Brocken des inzwischen fünf Tage alten Brotes ab.


Wir schlagen noch einen Haken zur Laguna Illampu um dort die Zelte aufzuschlagen. Doch auf dem Weg dorthin dreht diesmal Seniora Mula durch und verabschiedet sich in Richtung des unweiten Heimatdorfes. Da sie die Zelte und den Kocher auf dem Rücken trägt bleibt uns nichts anderes übrig als dem sonst so artigen Gehilfen zu folgen. Kurz vor der Siedlung Estancia Lackathiya gelingt es einem Führer einer anderen Gruppe Seniora Mula einzufangen und anzubinden. Als wir dazu stoßen schlagen wir unsere Zelte neben den ihrigen auf, für anderes ist es heute schon zu spät.


Im Grunde sind wir auch nicht traurig darüber, haben wir doch beide seit Tagen mal wieder vollwertige Gesprächspartner gefunden: Jose hält mit seinem Kollegen einen Plausch auf Aymara, ich mit den beiden geführten netten jungen Schweizerinnen einen auf Deutsch. Die beiden Mädels trifft ein schräges Pech, sie sprechen super Spanisch, in Bolivien notwendig und ein großer Gewinn. Allerdings hat man Ihnen einen Guide angedreht, der fast nur Aymara spricht. Auch sie sind nicht unglücklich über unsere Gesellschaft, da sich ihr Guide abends nochmals nach Sorata verziehen will um am nächsten morgen wieder zu kommen. Alles ein bisschen schräg, aber sie sind fröhlich und zuversichtlich, dass es auf die bolivianische Art schon funktionieren wird. Sie sind schon zwei Monate im Land und nicht mehr so leicht zu schocken.


Seniora Mula wird heute zur Strafe an einen kahlen Platz angebunden, muss somit auf Abendessen versichten. Bei uns hingegen gibt es die obligatorische Suppe gefolgt von Pasta mit Würstchengulasch Typo Viena, also Wiener Art.


[lt. Hoehenmesser: Aufstieg: 850hm, Abstieg: 1120hm, hoechster Punkt: 4886m, Lager: 4000m]


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Tag 6 | Estancia Lackathiya - Quilambaya

Tatsächlich ist der Führer der Schweizerinnen am nächsten Morgen schon wieder da als ich um Sieben aus dem Zelt krieche. Es ist noch frisch und sowohl Jose als auch die Mädels lassen sich Zeit um aus den Zelten zu kommen. Schließlich kommt die Sonne aber heute mit voller Kraft heraus. Kurz mache ich mir noch etwas Sorgen um den Hormonhaushalt des vermeintlich hinterwäldlerischen Führers als sich zwei fraglos sehr formschöne Gringakörper im Tanktop sonnen. Für die konservativen bolivianischen Verhältnisse schon recht viel Haut von vermeintlich exotischen Schönheiten.


Wir unterbrechen unser Frühstück um die drei schließlich zu verabschieden. Sie haben den selben Weg unseres ersten Tages vor sich. Wir hingegen haben überhaupt keine Eile. Das Tagesprogramm beläuft sich auf wenige hundert Meter Abstieg. Diese bummeln wir zunächst einer bequemen Carritera entlang. Die autotaugliche Schotterpiste bietet Traumaussichten auf das komplette Illampu und Ancohuma Massiv. Immer wieder bleiben wir stehen und ich fotografiere. Auch an ausgedehnten Pausen mangelt es nicht. An einem Aussichtspunkt besprechen wir die Route zum Ancohuma. Später weichen wir von der Strasse auf kleine Pfade ab um nach einer Stunde Quilambaya zu erreichen. Jose lädt mich nochmals zum Abendessen zu Hause ein, ich werde da gar nicht gefragt. Jose sagt es ist Kaninchen, das glaube ich auch zu gerne. An den Gedanken Artgenossen der unter mir quietschenden Meerschweinchen zu essen könnte ich mich nur schwer gewöhnen. Irgendwie fragt er aber dann doch, ob es in Deutschland auch Meerschweinchen geben würde. Ich ernte ein verständnisloses Kopfschütteln als ich ihm sage, dass es schon welche gäbe, wir sie aber nicht essen würden.


Einmal noch darf im Mini Tante Emma Laden übernachten bevor mich Jose am nächsten Tag nach Sorata fährt und ich zwei Ruhetage in der Zivilisation verbringen darf. Zurück in der Zivilisation weiß ich gar nicht so recht, ob ich mich trotz aller Annehmlichkeiten wohler fühlen soll, irgendwie komme ich mir komisch, ein wenig verloren vor....


[lt. Hoehenmesser: Aufstieg: 240hm, Abstieg: 820hm, hoechster Punkt: 4000m, Lager: ---]


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Ergaenzende Infos zum Bericht:


a) Allgemein:
Zum Auftakt dieser Bolivien Reise stand ein laengers Trekking auf grosser Hoehe auf dem Plan. Dazu hatte ich mir eigentlich den Illampu Circuit, also die Umrundung des Ancohuma/Illampu Massives herausgesucht. Der Trek startet von Sorata aus und fuehrt dahin zurueck. Sorata ist wiederum der Stuetzpunkt fuer die meisten Touren im Norden der Cordillera Real, dem bergsteigerisch bedeutensten Gibirgszuges Boliviens, und liegt somit optimal fuer eine weitere geplante Unternehmung. Der Trek fuehrt ueber grosse Hoehen und die Zeltplaetze liegen meist zwischen 4000m und 4500m, Paesse auf dem Trek reichen bis um die 5000m Marke. Somit ist der Trek eine hervorragende Aklimatisierung fuer hoehere Aktivitaeten. Leider hat es mit dem Rundtrek nicht ganz geklappt, Details sind dem Bericht oben ja zu entnehmen.


Ich habe mich hier zum ersten Mal fuer eine gefuehrte Tour mit Tragetieren entschieden. Im Grunde waere die Tour auch ohne Fuehrer machbar. Spezielle Gruende fuer die Komfortvariante waren bei mir noch komplett fehlende Akklimatisierung und die Tatsache, dass ich den Trek als Kombi mit einer anschliesenden Bergbesteigung vereinbart hatte. Somit konnte ich vorab meinen Bergfuehrer ausgiebig kennenlernen und musste nicht viel Kraft auf einer einigermassen harten Akklimatisierungstour lassen. Daneben spechen teilweise schwierige Orientierung und fragliche Sicherhat als generelle Gruende fuer eine gefuehrte Tour. Normalerweise ist die Orientierung in den weiten Hochgebirgstaelern um die Bergriesen herum nicht allzuschwierig. Es darf aber nicht vergessen werden, dass es keinerlei Wegmarkierungen gibt, also keine Wegweiser und mit dem rot/weissen Farbeimer ist auch noch keiner durchgelaufen. Dazu kommt, dass die Einheimischen kein Englisch, vielleicht Spanisch oder doch nur Aymara sprechen. Bei Nebel wird dann die Auswahl zwischen oft unzaehligen Trampelpfaden ohne Fuehrer schnell zum Lotteriespiel und man kann sich dann mal leicht fuer einen ganzen Tag verlaufen.


Leider ist die Sicherheit auf Abschnitten des Treks auch nach wie vor nicht gegeben. Immer wieder kommt es zu raueberischen Erpressungen auf Abschnitten des Treks. Ein Guide verhilft an dieser Stelle zu mehr Sicherheit, da er die Gefahren besser kennt und angemessen reagieren kann. Auch ist die Hemmschwelle fuer die Gewaltausuebung bei Einheimischen hoeher. Vorsicht ist allerdings bei Buchung des Guides geboten, es ist auch schon von Faellen der Kooperation berichtet worden, daher auf serioese Vermittlung achten. An der Stelle moechte ich aber auch an das eigene Verhalten appellieren. Wer eine gute Trekkingausruestung bei sich hat traegt schnell Ausruestung mit sich rum, welche mehr wert ist als mehrere Jahreseinkommen einer Campesinofamilie. Diesen Kontrast sollte man sich durchaus bewusst machen und soweit moeglich im eigenen Verhalten beruecksichtigen.

b) Literatur/Karte:
Karte: Alpenvereinskarte Cordillera Real, Nord (Illampu), ein Teil des Circuits fehlt auf der Karte, Ortsangaben beziehen sich auf diese Karte und moegen mit anderen Karten nicht uebereinstimmen
Fuehrer: Trekking in the Central Andes, Lonely Planet (wohl nur noch als Download erhaeltlich)
Im Rother Wanderfuehrer Bolivien zumindest nicht unter diesem Namen drin.

c) Planung/Vermittlung:
Robert Rauch (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Buch, bolivia-tour.com/, extremrauch.com ), langjaehrig in Bolivien lebender deutscher Ausnahmebergsteiger und Mountain Guide

 

Es ist 5:30 Uhr als mich Robert Rauch von meinem Hostal abholt. Robert ist ein seit langen Jahren in Bolivien lebender deutscher Ausnahmebergsteiger und Mountain Guide. Zwar fliegt er am Sonntag wieder nach Deutschland, doch hat seine alten Verbindungen bemüht und mir am Vortag in stundenschnelle eine Tour vermittelt. Er lässt es sich nicht nehmen mich persönlich von La Paz nach Sorata im privat PKW zu fahren. Früher war die Reise zu Roberts langjährigen Wohnsitz eine Tagesreise. Dank dem neu geteertem Highway und der Stauvermeidung durch die frühmorgendliche Fahrt dauert unsere Fahrt gerade mal drei Stunden. Vom Altiplano, der Hochebene Boliviens, aus haben wir rechts von uns stets die begrenzende Gebirgskette der Cordillera Real im Blick. Gletschergekrönte Fünf- und Sechstausender reihen sich auf und senden ihr leuchtendes Weis im ersten Morgenlicht.
Im Residential treffen wir uns mit José, meinem Guide für die nächsten zwei Wochen. Wir machen erste Absprachen bevor wir zunächst in einem Tante Emma Laden und dann auf dem Markt die Vorräte für das Trekking einkaufen. Überall trifft Robert alte Bekannte und hält einen Plausch über interessante Gegebenheiten. Mit diesen Geschichten allein könnte man Bücher füllen. Am Nachmittag haben wir noch etwas Zeit um uns den Stierkampf anzusehen. Ein unblutiges Spektakel das eine dreitägige Fiesta beendet. Einmal wird es richtig heiß, als ein Stier die primitiv gebastelten Umzäunung durchbricht und durch das Publikum rennt. Es ist aber niemand ernsthaft verletzt worden.
José lädt uns zum Abendessen zu sich nach Hause ein. "Für mich brauchts das nicht" antworte ich auf die Frage ob er Meerschweinchen schlachten soll. Noch einmal begeben wir uns ins Auto um die neu gebaute Carritera von Sorata nach Quilambaya hochzufahren. Es ist eine windig den steilen Sedimenthängen abgetrotzte Schotterpiste mit engen Serpentinen. Mehr als die ersten beiden Gänge braucht man da nicht.
Oft habe ich solche Siedlungen im vorbeigehen schon gesehen, nun betrete ich zum ersten mal die typischen Siedlungshäuser. Es sind einfach gebaute Lehmhütten mit Wellblechdächern. José führt uns in die Küche, ein extra Gebäude von vielleicht 1,5x3m Grundriss und kaum hoch genug für Europäer zum drin stehen. Die Ausstattung ist einfach: Ein Lehmofen auf dem Boden dessen Rauch durch den Raum abzieht, ein Regal, eine Pritsche und eine handvoll niedrige Hocker. Strom gibt es hier noch nicht, eine einsame Öllampe an der Wand spendet spärliches Licht. Josés Frau und ihre sechs Kinder leisten uns Gesellschaft, verstärkt durch ca. 20 in der Küche lebende und umherquiekende Meerschweinchen. José entschuldigt sich für die einfachen Verhältnisse und schämt sich offensichtlich als wir Bilder machen. Dies sind die durchschnittlichen Lebensverhältnisse einer bolivianischen Familie, die meisten Touris bekommen das nie zu sehen. Im Umkehrschluss schäme ich mich für den verglichenen Endlosschnickschnack den ich für die Reise mitgebracht habe. Nach dem leckeren Abendessen werden Robert und ich zu unserem Nachtquartier geführt: einem mini Tante Emma Laden unterhalb des Hauses. Zwischen Eiern, Limonade und Dosentomaten machen es uns mittels Isomatten und Schlafsäcken bequem.

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