Cerro Rico - Potosi


Ort: Potosi, Bolivien, Cerro Rico
Zeit: 17.10.2007
Aktivitaet: “Seightseeing” - Minentour
Inside: Reisebericht & Bilder


Muede von einer 6 Stunden langen Busfahrt ueber den staubigen und holperigen Uyuni - Potosi Highway checke ich in meinem Hostel ein und buche eine Minentour fuer den naechsten Morgen um neun Uhr. Ich habe keine Lust um in der Stadt durch die verschiedenen Agencies nach Touren zu shoppen. Meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass wenn man am Hostel bucht meistens nix falsch macht. Kein Problem meint der Mann am Schalter, Du wirst morgen um neun hier abgeholt.


Nach meinem Fruehstueck am naechsten Morgen finde ich tatsaechlich einen Einheimischen in der Lobby vor. Er stellt sich als Roberto und seine Assitentin als Mecedes vor. Beide grinsen warmbluetigt ueber beide Backen und durch die noch verbliebenen Zaehne. In Bolivien kann man den Wohlstand der Leute tatsaechlich noch an der Anzahl der noch vorhandenen Zaehne ablesen. In diesem Fall passt das zum Lebenslauf der Beiden. Mercedes ist Minenarbeiterswitwe und Roberto hat zehn Jahre in der Mine geschuftet ohne die grosse Ader zu finden. Es fehlt Ihnen nicht an Selbstvertrauen und Roberto, mit seiner VokuHila Frisur, verkuendet stolz, dass er sieben Sprachen spraeche. Ich freue mich auf eine Fuehrung auf Deutsch aber die ist dann noch nach einem “Guten Morgen” (10% des deutschen Wortschates von Roberto) beendet. Sein Englisch ist aber ausserordentlich gut und das alleine in Bolivien schon eine Wohltat.



Wir machen uns auf, lustiger Weise bin ich heute morgen der einzige der gebucht hat und bekomme ein Exklusivfuehrung - ohne dass ich es wollte. Der Cerro Rico, also der erzdurchzogene Vulkan und Hausberg der jahrhundertelang die Taschen der Spanischen Krone mit dem aus ihm gewonnenen Silber gefuellt hat, ist schon von der Stadt aus gut zu sehen. Wir laufen zur Plaza um von dort mit einem oeffentlichen Bus ein Stueck den Huegel hinauf zu fahren. Wir laufen in eine unbefahrbare Seitenstrasse und Roberto oeffnet eine Tuer in einen Hinterhof. Ich ueberwinde meine Angst vor einem Hinterhalt und folge ihn in den Verhau. Er versorgt mich mit Ueberkleidung, so dass meine Klammotten nicht nass werden, mit Gummistiefeln, dass meine Fuesse trocken bleiben und mit einem Helm, damit mein Kopf heil bleibt. Noch vor dem Eintreffen in die Mine wird Roberto feststellen, dass der Helm kaputt ist und ich mit ihm zurueck muss um ihn umzutauschen. Leider wird er nicht merken, dass die Stiefel Loecher haben. Dass die Klammotten nicht gerade der letzte modische Schrei sind ist mir egal, einmal im Jahr kann man ruhig wie eine Vogelscheuche aussehen.

Wir lassen die Assitentin im Verhau, sie waescht Klamotten, und machen uns zu Fuss zu Marktviertel auf. Die Bergleute im Cerro Rico sind alles fuer sich Selbsstaendige, jeder mit einem oder mehreren Hilfsarbeiter die er beschaeftigt. Jedoch sind sie in ca. 35 verschiedenen Cooperativen organisiert oder angeschlossen. Diese wiederum schaffen mit Angestelten fuer 8% des Gewinns den Abraum aus den Stollen und bieten eine geringe Hinterbliebenenversorgung fuer die Witwen. Das ist auch durchaus noetig, da die Lebenserwartung der derzeit ca. 20.000 Bergleute nach dem Eintritt in die Mienenarbeit bei etwa 10-15 Jahren liegt. Manche finden bis dahin eine gute Ader und lassen dann andere fuer sich arbeiten, die allermeisten sterben jedoch quasi arm. Bei einem Tageslohn der Hilfsarbeiter von 3 EUR kann man nicht viel sparen. Da die Bergleute alle selbstaendig sind, kauft jeder fuer seinen Bedarf im Marktviertel ein. So auch wir.

 

Im ersten Laden holen wir uns eine frisch geladene Elektro Lampe. Roberto schnallt mir den Akku an den Ruecken und die Lampe an den Helm. Weiter zum naechsten Laden. Roberto erklaert mir das Angebot. Wir machen das Werkzeug durch. Dann zeigt er auf eine Schachtel voll zylindrischer Stangen: “..das ist Dynamit und mit dem Altpapier da in der Ecke werden Rollen gemacht, in die das TNT Granulat, da in den Pastiktueten, eingefuellt wird. Hier gibt es dann die Zuendschnuere mit denen das Dynamit gezuendet wird, welches wiederum das TNT zuendet….”. Cool - denke ich, Bergbau ist ja wohl ne einfache Sache. Schade dass es solche Laeden nicht bei uns gibt. Selbsterstaendlich kaufen wir von alle dem. Dann weiter zum Markt. Wir brauchen noch Coca Blaetter als Geschenke fuer die Minenarbeiter. Das ist das einzige was diese im Berg zu sich nehmen. Die Blaetter werden gekaut und ausgespuckt. Die 1% Droge und sonstige Wirkstoffe in den Blaettern helfen den Leuten durchzuhalten. Zu den Kolonialzeiten war dies einer der wichtigsten Dinge die in den Minen nie ausgehen durften. Einheimische Indios und Sklaven aus Afrika mussten zum Teil 12 Monate lange im Stollen verbleiben und wurden durch 12 Stunden Schichten in den Tod getrieben. Man schaetzt, dass in ca. 200 Jahren Kolonialherrschaft ungefaehr acht Millionen so den Tod fanden. Wir kaufen eine Tuete des besseren Cochabama Cocas und machen uns durch eine zweite Busfahrt auf an den Berg.

Am Fusse des Berges sehen wir Ausgaenge der ersten Schaechte. Roberto erklaert, dass diese zum Teil schon im 16ten Jahrhundert in den Berg getrieben wurden. Gestiegene Rohstoffpreise und fehlende Alternativen haben dazu gefuehrt, dass viele bereits geschlossene Schaechte wieder in Betrieb genommen wurden. Es stinkt uebel, hauptsaechlich nach Pisse. Auf dem Weg zum zweiten Schacht finden wir eine 70 jaehrige Witwe. Sie zertruemmert Steine mit einem Hammer, dursucht den Abraum nach nicht entdeckten Mineralien. Sie zeigt auf einen etwa drei Eimer grossen Haufen, die Ausbeute eines Monats. Roberto erklaert, immer noch laechelnd, sie bekomme etwa 10 EUR pro Monat fuer ihre Funde, es sei doch recht wenig zum Leben. Vor dem Eingang des Berges werden mit einer Tonne Erz oder Abraum beladenene Loren in Auffangtrichter gekippt. Alles in Handarbeit, drei Minenarbeiter pro Lore. Eben diese drei ziehen auch die Loren in die bis zu zwei Kilometer tiefen Stollen. Wenn Sie glueck haben verlaeuft der Stollen im Berg aufwaerts, es gibt aber auch andere. Immerhin gibt es inzwischen Kompressoren, welche fuer die Benutzung von Druckluftbohrern und zur Frischluftzufuhr verwendet werden.

Roberto erkundigt sich bei einem Vorarbeiter ueber den Stand der Aktivitaeten im Stollen und beschliest, dass wir in diesen rein gehen. Mal wieder bekomme ich zu spueren, dass ich zu gross fuer Suedamerkia bin. Die gebueckte Haltung, welche ich aufgrund des niedrigen Stollens einnehmen muss, wird fuer die naechsten Stunden meine Vorzugshaltung sein. Es ist also eng, es ist kalt, es ist dunkel und durch die Loecher in meinen Stiefel laueft Wasser. Prima, was mache ich hier eigentlich? Habe ich nicht auch noch Geld dafuer bezahlt? Roberto feuert mich aber mit seinem Laecheln und seinem Entusiasmus an, es gibt keine Diskussion. Im Stollen kommen uns immer wieder Leute entgegen. Ganz schoen Betrieb. Alle Laecheln und machen Witze, erstaunlich bei dem harten Los. Immer wieder muessen wir zur Seite springen da Loren rein oder raus gefahren werden.

Roberto erkundet mit mir immer wieder die seitlichen Galierien. Es scheint unerdlich viele zu geben. manche einfach nur zur Seite, manche nach oben und andere nach unten. Oft sind sie schmal und noch viel schlechter gesichert als der Hauptstollen. Bei manchen muss man krabbeln, klettern oder ueber abenteuerliche Leitern steigen. Arme Mineros benutzen Handwinden in den senkrechten Schaechten. Wir kommen an einen Schacht an dem gearbeitet wird. Immerhin gibt es eine Elektrowinde. Ein Kautschucksack befoerdert Abraum aus 100m Tiefe in den Hauptschacht. Roberto fragt wie die Arbeiter da runter kommen: mit dem selben einfachen Kautschucksack an der Elektrowinde, ist die Antwort des Hilfsarbeiters an der Winde. Wir finden einen Arbeiter in einen anderen Seitengang. Er hat Erz an der Ader abgebaut und in einen Sack gelagert. Nun bearbeitet er Stein fuer Stein um diese zu sortieren. Er hat Haufen vor sich fuer die unterschiedlichen Erzarten und Qualitaeten. Wenn er vorsortiert ist sein Erloes hoeher. Inzwischen wird in der Hauptsache Zink, Zinn und Blei gewonnen. Silber ist rahr geworden. 15 Jahre gibt man den Berg noch. Einige Ecken weiter finden wir seine Kollegen ueber uns arbeitend. Steine fallen herab. Einer trifft meinen Kopf, zum Glueck geschuetzt vom Helm. Ich bin dankbar, dass wir den getauscht haben.

Nach einer Weile kommen wir auch zum Tio. Die Einheimischen glauben an den Teufel, nennen ihn aber Tio, Onkel. Er wohnt im Berg und wird in jedem Stollen durch eine uebermannsgrosse Statue repraesentiert. Jeden Freitag bringen Sie ihm Opfer in Form von Zigartten und Schnaps, der je nach Glauben und Anliegen ueber die Koerperteile verteilt wird. Roberto meint im Schritt des Tio wuerde am meisten landen. Es ist ebenfalls ueblich an den Freitag beim Tio Coca Blaetter zu kauen und sich mit 96%igen Alkohol an den Rand der Bewusstlosigkeit zu besaufen, das bringt Glueck und besaenftigt den Teufel - sagen sie.

Wir gehen weiter. Nebenbei erzaehlt Roberto, dass es nicht unueblich ist sich hier zu verirren. Er selber sei einmal erst nach drei Tagen ohne Licht und Wasser durch einen Suchtrupp seiner Familie wieder gefunden worden. Seid dem hat er Albtraeume und auch als Minenarbeiter aufgehoert. Er habe sich auch schon mit Touristen verirrt, da aber nie laenger als eine Stunde. Ich bin beruhigt? Jedenfalls achte ich ab da besser auf den Weg. Wir finden eine Anhaeufung von Arbeitern. Sie sind aus verschiedenen Bereichen zusammen gekommen um eine Coca-Pause zu machen. Gleichzeitig machen sie Sprengstoff fuer eine 40 Loch Sprengung fertig. Die Arbeiter scherzen mit Roberto, er soll doch gefaelligst mehr Frauen in den Berg bringen, das bringt mehr Glueck. Wir Entschueldigen uns mit einem Geschenk aus Coca-Blaettern und verziehen uns. Wir laufen zum Ausgang des Schachtes, zwei vollen Loren hinterher. Ich habe muehe in den schmalen Schaechten zu folgen.

Ein Gefuehl von Dankbarkeit ueberkommt mich als wir das Tageslicht erreichen. Erst mal durchatmen. So was habe ich noch nie erlebt, will ich auch so schnell nicht wieder. Roberto erinnert mich daran, dass wir ja noch Dynamit und Sprengstoff in seinem Rucksack haben. Er laechelt: “I will make an Explosion now”. Er streut Carbit auf den Boden, steckt die Zuendschnur in das Dynamit und beides in eine Tuete TNT Granulat. Ich fuehle mich nicht wohl, denke an meinen Cousin das sich das Gesicht beim basteln mit Feuerwerkskoerpern verbrannt hat. Ich will weg. Auf Robertos geheiss schuette ich Wasser aufs Carbit. Sofort zischt und brennt es. Nach einer Weile bekommt er mit dem Karbit die Zuendschnur zum brennen. In der einen Hand das brennende Ende der Zuendschnur in der Hand, in der anderen Dynamit und TNT ruft er mich auf ein Foto zu machen. Bitte, wenn er es gerne so hat. Dann meint er: tauschen! Ich kann die Gedanken an meinen Cousin ueberwinden. Was solls, schon lange nichts verruecktes mehr gemacht. Nach dem Bild mit dem Motiv: “Gringo in Vogelscheuchenkostuem und aktivierten Paket aus TNT und Dynamit in der Hand” nimmt Roberto das Paket und vergraebt es an einem Huegel. Wir gehen auf Distanz. Eine halbe Minute spaeter tut es einen fuerchterlichen Knall und die Leute in der Umgebung schauen verduzt. Roberto sagt: “Vamos a Casa”, gehen wir nach Hause, welch schoene Worte!


Bilder:


 

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