Ein Tag mit meinem Patenkind


Ort: Santa Cruz, Bolivien
Zeit: 21.10.2007
Aktivitaet: Ein Sonntag mit einer bolivianischen Familie
Inside: Bericht & Bildergalerien


Es ist Sonntag. Es ist sieben Uhr morgens. Ich bin eigens fuenf Tage vor meinem eigentlichen Abflug nach Santa Cruz zurueckgekehrt. Der Trainer meines Patenkindes hat gesagt ich muss Juan unbedingt spielen sehen - das geht nur Wochenendes. Es ist ein Punktspiel der Academia Tahuichi, die Fussballschule welche Juan besucht, gegen eine andere Mannschaft aus der Santa Cruz Region. Ich fuehle mich nicht so gut. Die Kommunikation im Vorfeld war schwierig, hab aber schiesslich doch eine Adresse und eine Uhrzeit bekommen - weiss nicht ob das funktioniert.

Raus aus dem Hotel, rein ins Taxi druecke ich dem Fahrer meinen halbseitigen Aufschrieb mit Adresse und Wegbeschreibung in die Hand. Kennt er - sagt er. Prima denke ich. Wir verhandeln den Preis und tatsaechlich stehe ich 20 Minuten spaeter an einen Fussballfeld. Ich komme mir fremd vor. Es vergeht allerdnigs nach dem ich den Jungen und den Trainer erkenne. Puh - alles passt. Das Spiel beginnt um acht Uhr. Irgendwas laeuft falsch, Juan sitzt nur auf der Bank. Was geht? All der Stress und dann spielt der Junge nicht mal - so ein Scheiss! Wenigstens das Spiel ist ok. Die Jungs sind top, Tauhichi geht nach einer Ecke mit 1:0 in Fuehrung. Mein Trainer meckert und darf anschliesend auf Weisung des Schiris auf die Tribuehne umziehen. Auch ohne ihn machen Sie das 2:0. Es ist Halbzeit. Kurz nach Wiederanpfiff wird Juan eingewechselt. Super Sache - er spielt gut, ist flink wie ein Wiesel. Der Schiri sorgt fuer Ausgeglichenheit und schickt schlieslich auch den anderen Trainer auf die Tribuehne. Irgendwann bekommen sie doch noch ne Kiste, retten dann aber das 2:1 ueber die Zeit.

Zusammen mit dem inzwischen eingetroffenen Vater, der Schwester und dem geduschten Juan machen wir uns auf. Ich bin bei Flores zum Essen eingeladen. Auf dem Weg erzaehlt mir Juan, dass Sie mit dem Sieg die Meisterschaft in der Santa Cruz Region besigelt haben und nun zum Pokalfinalturnier nach Sucre fahren. Das ist zum Glueck nur 2000 Meter hoeher. In Potosy waere es wesentlich haerter geworden, das liegt ganze 3500 Meter hoeher als Santa Cruz. Ich gratuliere. Das Taxi das wir genommen haben haelt auf einer staubigen Seitenstrasse, jede Menge Muell begruesst uns. Gar nicht so uebel, denke ich als ich das Haus ansehe bei dem wir anhalten. Ich werde zum Nachbargrundstueck geleitet - doch ganz schoen uebel denke ich. Hinter einem rostigen und verfallenen Tor erwartet mich ein trostloser Hinterhof eingerahmt von ziemlich aermlichen Huetten. OK, die habens noetig - ich sehs ein. Ein Stoffdach schuetzt vor 37 Mittagshitze. Wir nehmen auf schoenen Holzstuehlen platz und trinken Coca Cola, beides eilig von den umliegenden Hauesern herbei geholt. Es gibt super Huehnchen mit Reis. Ich bekomme zuerst, der Teller ist voll, das Fleisch reichlich und saftig. Entspechend der Rangordnung der Famile bekommen die anderen. Die Menge Reis bleibt gleicht, das Fleisch wird aber immer weniger. Juan macht mich mit seiner Familie bekannt. Oma, Eltern, Geschwister, Cousins, Onkel, Schwaegerinnen, Neffen, etc.. Insgesamt grob geschaetzt ca. 20 sehr nette und warmherizige Menschen, sie gefallen mir. Was mir nicht gefaellt ist, dass sie alle so viel wissen und reden wollen. Mein Spanisch ist bescheiden und, wie in ganz Bolivien, hier spricht natuerlich keiner Englisch oder so. Aber wir kommen zurecht. Alle haben den ganzen Tag Zeit - wir machen einen Ausflug!

Der Bruder hat ein Auto aufgetrieben und es ensteht eine Diskussion wer mitfaehrt. Schlieslich finden in dem handelsueblichen Toyota neben mir noch drei Erwachsene und fuenf Kinder Platz. Man muss eben nur etwas zusammenruecken. Anschnallgurte und Kindersitze sind in Bolivien, weil so unpraktisch, sowieso erklaert ueberfluessige Erfindungen. Die ca. 10 anderen, alle ausser Oma, laufen zum naechsten Bus. Wir fahren aus der Stadt raus. Nach eineinhalb Stunden stoppen wir nach einer Bruecke. Unten baden Leute im Fluss. Schoen, wir sind da denke ich. Der Onkel von Juan (zwischendurch haben wir den Fahrer gewechselt) laeuft nicht ganz so gut gelaunt ums Auto. Wir haben nicht das Ziel erreicht sondern das Auto hat einen Platten. Der einzige zu findende Schraubenschuessel passt leider nicht zu den Radschrauben, Pech. Wie gut, dass der Bus mit den anderen kommt. Flux springen wir auf und ueberlassen den Onkel und das Auto mit dem platten Reifen ihres Schicksals.

Nach einer weiteren Stunde heisst es “éstamos aqui”, wir sind da. Der Bus faehrt eine Sandbank hinunter, alle steigen aus. Im Fluss baden zig Einheimische, viele weitere vergnuegen sich am Sandstrand. Es ist schoen hier. Das Wasser ist zwar nur knietief, dafuer aber sehr warm. Jedenfalls ist mir diese Kombination fuer mein zweites Bad auf diese Reise lieber. Im Titikakasee ist es tief, allerdings nicht mehr als gefuehlte acht Grad warm. Entsprechend halte ich es nicht nur eine Minute sondern etwa 2 Stunden aus. Die Neffen von Juan sind etwa um die 5 Jahre alt und sie haben einen riesen Spass wenn ich sie hoch hebe und ins Wasser werfe. “Mas” - mehr rufen sie, bis mir die Kraefte ausgehen und ich kapitulieren muss. Ich gehe zu einer anderen Aktivitaet ueber und unterhalte mich mit der, sehr netten, 18-jaehrigen Schwester Juans. Der Smalltalk mit Eva ist leider auch nicht ohne Anstrengung. Ich sollte weitere Spanisch Kurse machen. Wir unterhalten uns ueber Beruf, Schule und Freizeit. Sie sagt mir, dass ich schoene Augen habe und meint ich waere eher 26 und nicht 33, wie ich wahrheitsgemaess sage. Jetzt werde ich auch noch verlegen. Maenner koennen nicht so gut mit Komplimenten. Ausserdem frage ich mich, ob ich wirklich mit der Schwester meines Patenkindes flirten sollte. Ein Ruf Juans erloest mich vom Gewissenkonflikt. Er, sein Onkel und ich machen einen Maennerspaziergang am Fluss. Zum Abschluss des Tages machen Bruder, Onkel und ich noch einen Sandburgenbauwettbewerb. Ich habe nicht angefangen! Allerdings finde ich, dass meine die schoenste ist. Schoene Form, mit Burggraben, zwei Zugbruecken und einer Fahne. Die Rufe “Vamonos” - wir gehen mehren sich. Waehrend ich mich anziehe sehe ich den Neffen beim Zertrampeln der Sandburgen zu. Die Familie endeckt wie witzig die Digitalfotographie ist, jeder will fotographieren und fotographiert werden. Schlieslich laufen wir zur Strasse um einen der Mikro (halbgrossen) -Busse mit der Familie zur Haelfte zu Fuellen. Die ander Haelfte wird durch am Strassenrand wartende Passanten aufgefuellt bis wir dann bis auf den letzten Stehplatz besetzt nach zwei Stunden in Santa Cruz ankommen. Voellig erschoepft nehme ich am Busbahnhof Abschied von der Familie. Juan, Eva und eine zweite Schwester kommen noch mit meinem Taxi zum Hotel um mich sicher nach Hause zu bekommen. Ich schliese die Hoteltuer hinter mir, bin zurueck in einer sicheren Welt, wo Menschen sind die meine Sprache sprechen, oder zumindest Englisch. Dennoch, ich weiss nicht was ich denken soll und verbringe den Rest des Tages mit einer unglaublich aufgewuehlten Gefuehlswelt. Schon aufregend, so ein Tag mit einer bolivianischen Familie!


Tag des Ausflugs:

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