Kurzgeschichten (Andal.)

 


ROSA


Rosa ist ein Klimaflüchtling. Rosa ist Deutsche und Rosa labert mich beim Frühstück ungefragt voll. Sie fragt mich, wie es in Deutschand sei, sie sei schon sechs Jahre nicht mehr dort gewesen. Immer schlimmer, sage ich. Meistens hat man eher seine Ruhe, wenn man den Leuten bestätigt, was sie hören wollen.

Sie lebe jetzt schon seit Jahren in Malaysia. Dort sei alles ganz toll und viel günstiger als in Europa. Aber im Februar ist es dort einfach zu heiß, da suchen sie sich immer einen etwas kühleren Flecken Erde. Deswegen seien sie jetzt in Andalusien. Ihre sonnengegerbte lederne Haut, ein seltsamer Kleidungsgeschmack gepaart mit einer unbeschreibbaren Frisur machen sie zu einem komischen Etwas.

Den Namen habe ich ihr aufgrund der Farbe ihrer Weste verpasst. Sie passt zu diesem skuirllen und verloren wirkenden Wesen. Alt geworden und sich nicht mehr zurecht zu finden, beschlossen davon zu laufen und seit dem auf einer Flucht ohne Ziel.

Zwischen ihrem Redeschwall darf ich einzelne Sätze antworten. Ist mir auch recht nicht viel reden zu müssen. Das Gespräch, besser gesagt Rosas Monolog, schweift von Reisen nach Japan und Korea über den Syrenkonflikt und Kanzlerin Merkel bis hin zur Anzeige ihrer ehemaligen Nachbarn wegen einer Beleidigung. Eine Saftmaschine rattert mehrere Minuten lang, erzeugt diesen wunderschönen frisch gepressten Orangensaft. Nicht dass das Rosa davon abhalten würde weiter zu reden, ist ja auch egal ob ich was davon verstehen kann.

Nicht dass mich Geschichten über das Reisen nicht interessieren würden, aber Menschen wie Rosa mag ich nicht. Da sie mein Desinterresse nicht sonderlich zu beeindrucken scheint, ziehe ich eine weitere Eskalationsstufe: Ich tue so, als hätte ich eine Nachricht auf meinem Mobiltelefon erhalten. Als ich so auf dem Handy daddele und an meinem O-Saft nippe ebbt der Redeangriff ab. Wie wohltuend.


Dorade mit Knoblauch, oder umgekehrt. (Torre del Mar)


Echt und unverwechselbar, frischen Pulverschnee mit den Skiern zu reiten, den Duft der Frau zu riechen die man liebt oder eben: Fisch am Meer zu essen.

Ich lasse mir die Speisekarte geben und frage gleichzeitig nach einem Fisch aus der Region. Auf das „Hay Dorada con ajo!“ anworte ich mit einem „Perfecto!“. Die Karte klappt zu und während ich mein Bier und das vorab gereichte Brot meinem Magen zuführe steigert sich die Vorfreude als auch der Säuregehält meines Verdauungsorgans gleichermaßen.

Nur wenig später steht ein duftender Teller vor mir. Die Dorade, angebraten, in zwei Hälften getrennt und aufgeklappt, umwerfend aussehend und von etwas Gemüse begleitet, lässt mein Herz höher schlagen. Das Aroma bezierzt meine Nase und der Geschmack meinen Gaumen.

Eine halbe Knolle Knoblauch, ein paar Kräuter,  gutes Öl und etwas Zitrone und einen frischen Fisch. Mehr braucht es heute nicht, um meine Seele mit Freude zu füllen. Ehrlich und von Herzen lächelnd fragt mich die Bedingung ein kurzes „Todo bien?“. Ein „Deliciso“ entweicht meinen Lippen, begleitet von einem eben so sanften Lächeln.

Wenn ich jetzt eine Katze wäre, so würde ich mich neben mein Frauchen legen und den Bauch zum kraulen anbieten, derweil zufrieden anfangen zu schnurren!

Te amo andalucia!


Ich lasse einparken (Granada)


Nun, für Flexibiltät ist ein Mietwagen immer ganz angenehm. In den wirren Gassen enger spanischer Großstadtzentren kann es mit dem Auto eher schwierig werden. Zumal mein Hotstal in Granada mitten im Zentrum liegt. So kann man alles praktisch zu Fuß erkunden, doch es gibt keine Parkplätze.

Eine Tiefgarage zwei Straßen weiter wird zum Parken von meiner Unterkunft empfohlen. Das kleine Schild an der Einfahrt übersehe ich fast. Mutig biege ich ab und stosse die Steilabfahrt hinunter, kurz mache ich mir sorgen, ob ich die unten folgende Linkskurve mit meinem Auto überhaupt bewältigen kann. Unten angekommen sehe ich einen engen Raum, der überall mit Autos aufgefüllt ist. Unmöglich hier irgendwo einzuparken.

Ein junger Mann hält mich an, ich bin froh, dass ich mit meiner Ratlosigkeit nicht alleine bin. Er fragt nach den Schlüsseln und dankbar übergebe ich sie ihm. Ich hoffe, dass er ein David Copperfield des Einparkens ist, übermorgen möchte ich den Mietwagen wieder unbeschadet abholen.


Backpacker sind auch nicht mehr das was sie einmal waren (Granda)


Als ich in meinen jungen Jahren reiste, hätte ich einen Haufen junger Leute im Frühstücksraum erwartet. Alle hätten sich mit einem Kater geplagt und zwischdurch ein paar Sätze über den letzten Abend und die Erlebnisse der Tage zuvor ausgetauscht.

Heute sitzt ein asiatischer Reisender am Tisch. Abwechselnd betätigt er sein Smartphone und sein Tablett ohne dabei aufzusehen. Der eher europäisch aussehende Kollege trägt Kopfhörer im Ohr und reagiert nicht auf meine Ansprache, er bevorzugt wohl seine Musik. Frühstücke ich also alleine vor mich hin.


Backpacker sind immer noch genauso wie früher (Cordoba)


Heute Abend treffen wir uns um halb neun zum weggehen. So das Briefing beim Einchecken im Hostal. Ich bin dabei, antworte ich intuitiv. Tatsächlich findet sich ein Bündel Leute zusammen. Ein Chilene, zwei US-Amerikanerinnen, zwei Koreaner, ein tunesiches Pärchen, ein deutscher und einer Spanier, Angestellter des Hostals, bilden das Team für heute Nacht.

Der Hunger und der erste Durst wird in einem Foodcourt gestillt. Die Gruppe vergrössert sich dort nochmals - eine Engländerin, die eigentlich mit ein paar Couchsurfern via Internet verabredet ist, stößt dazu. Ob Couchsurfer oder Backpacker ist ja auch egal. Das Loch im Magen ist gestopft, wir ziehen in eine Kneipe um und geben uns dem hervorragenden lokalen Rotwein hin. Um zwölf verkundige ich, dass ich die Rechnung übernehme, da ich ja schließlich Geburtstag habe. Eine Salve aus englischen und spanischen Geburtstagsliedern strömt auf mich ein, die ganze Kneipe singt mit. Die Bedienung bringt eine Runde Schnaps.

Da es mein Geburtstag ist, dürfte ich über den Rest des Abends bestimmen. Wir treffen eine Vereinbarung: Wenn wir noch eine offene Kneipe auf dem Heimweg finden, dann trinken wir dort noch was. Zwei Straßen weiter finden wir noch eine offene Tür hinter der sich ein feierlustiger Haufen versammelt hat. Man sei eigentlich schon am schließen. Einen Absacker gäbe es aber noch. 

Wir lernen Bartholomä und seinen Freund Dreadlocke kennen. Die Konversation ist aufgrund des Alkoholpegels nich mehr sehr geistreich, dafür um so lustiger. Auch mit zwei Frauen kommen wir noch ins Gespräch. Die Kneipe schmeist uns entgültig raus. Die Mädels kennen noch eine Kneipe, die um diese Zeit noch offen hat. Diese liegt zwar nicht in Richtung des Hostals, doch der Abend hat so sehr fahrt aufgenommen, dass keiner ernsthaft mehr nach Hause will.

Barttholomä erklärt uns, dass Dreadlocke gar nicht sein Kumpel sei, wir machen Selfies auf der Straße und werden Facebookfreunde. Eine halbe Stunde solpern wir über das Kopfsteinpflaster der engen Gassen Cordobas um vor einem ominösen Hinterhofeingang zu landen. Also gut, hinein. La Noche es joven - die Nacht ist jung. Drinnen erwartet uns eine schräge Spilunke, die tatsächlich noch Bier und Cuba Libre ausschenkt. Im Gastraum liegt der süßliche Duft von rauchbaren Drogen. Nüchtern ist heir keiner mehr.

Erneut werden mir Geburtstagssändchen gesungen. Die Szenen in der Kneipen ähneln eher einem Song Slam als dem Kneipenleben, welches ich von zu Hause kenne. Immer wieder stehen einzelne Gäste spontan auf und singen einen Flamenco oder andere lokale Lieder. Sie tanzen und gestikulieren dazu, das normalste von der Welt. Schließlich ist es fünf Uhr morgens als ich völlig platt in das Bett meines Hostals falle. It's been a wonderful night!