Dhaulagiri Circuit - Teil 2

Dhaulagiri Circuit - Teil 2

 


Ort: Dhaulagiri Himal / Nepal
Zeit: 17.10.-01.11.2011
Mit: Matthias
Aktivität:
Expeditionsartiges Trekking (Dhaulagiri Umrundung)



Inside: Bericht & Bildergallerien

Viel Spaß beim Weiterlesen, einfach auf die Reiter oben klicken, pro Trekkingtag erscheint dann eine Seite!

Aus technischen Gründen ist die Dhaulagiri Umrundung auf 2 Beiträge aufgeteilt. Der erste Teil des Berichtes ist hier zu finden.

Videos zur Tour gibt es hier.


 



Tag 9 Rasttag am Italian Base Camp // Di. 25.10.2011
Starthöhe: 3650m | Aufstieg: 760m | Abstieg: 760m | hoechster Punkt: 4400m | Camping: 3650m


Kein Stress. Heute nicht. Das Ziel des Tages ist auszuruhen, dünne Luft zu atmen und rote Blutkörperchen zu bilden – und Energiereserven, natürlich. Wir lassen es langsam angehen, reden und Essen viel beim Frühstück. Das Thema Schulgang der Kinder dieser Gegend begleitet uns beim Verzehr der Cornflakes in warmer Milch. Drei Stunden Fußmarsch laufen die Kinder aus den entlegenen Dörfern hier in die Schule. Morgens hin – abends zurück. Wahnsinn. Welch Aufwand. Süße Chiapattis folgen. Weiterführende Schulen gibt es nur in Beni oder gar Pokhara, als Internat. Wir sind beim Omelett angelangt und bei der Frage, was das konkret für die Kinder bedeutet. Unser Führer klärt uns auf: Nun die Kinder würden halt eben bis zu fünf Tage am Stück zu Fuß dorthin laufen. Begleitet werden sie dabei nur von gleichaltrigen Freunden, unterwegs mieten sie sich in den Häusern der Einheimischen ein. Ganz selbstverständlich, klar! Unsere Sprachlosigkeit spülen wir mit einer Tasse heißer Schoki hinunter. Bei uns werden die Kinder mittels drei Tonnen SUV-Stahl und 250 PS Vortrieb die unzumutbaren zwei Kilometer in die Schule chauffiert. Erstaunlicherweise es geht doch auch anders.

Eine tschechische Gruppe packt und zieht weiter. Ihr Zeltplatz wird wenig später von einer neu ankommenden französischen Gruppe übernommen. In der Hütte lädt mir einen Kameraakku auf, für einen zweiten reicht der Strom der bescheidenen Solaranlage nicht. Von nun an muss ich mit dem Vorrat an jetzt geladenen Akkus auskommen. Wir machen einen Spaziergang, kurz 750 Höhenmeter rauf auf 4400 Meter. Die Luft ist dünn, das Gelände aus Fels und Geröll ist immer öfter von Eis überzogen. Nur wenige Löcher in den dichten Wolken geben immer nur einen kurzen Blick auf die Berge frei. Die Höhe ist wichtig als Akklimatisierungsreiz, in der alpinen Weglosigkeit testet unser Guide unsere Geländegängigkeit. Bisher waren wir ja nur wandern.

Ein Graupelschauer geht während unseres nachmittäglichen Nickerchens auf das Zelt herunter. Eine Randnotiz, wir liegen im Fresskoma des vier Gänge Mittagessens und versuchen Zimtrollen, Erbsen, Wurst und Rohkostsalat zu verdauen. Als das Graupeln nachlässt holt man mich aus dem Schlafsack. Auf ein Stück Papier soll ich Matthias Vornamen und sein Alter schreiben. In der Hütte malen Sie meinen Aufschrieb ab, mit Marmelade auf Kuchen. Ich soll nix sagen, Überraschung.  

Den Geburtstagskuchen gibt es als add-on zum opulenten Abendessen. Die Jungs sind der Wahnsinn, zaubern aus den Töpfen der Feldküche einen Gugelhupf und machen Kerzen drauf. Als wir über das Feiern reden kommt raus, dass Isthwar heute den wichtigsten Hindi-Feiertag aufgrund unseres Trekkings verpasst. Alle Reisen sie nach Hause und feiern, malen sich Tikis auf die Stirn und überreichen sich Geschenke. Nur Isthwar ist nicht bei seiner Familie. Wehmütig zeigt er uns Bilder von seinen Angehörigen und der Zeremonie dieses Festes bei sich zu Hause im letzten Jahr. Heute Abend lächelt Istwhar in Moll, er tut uns leid.

 




Tag 10 Trekking vom Italian Base Camp zum Japanes Base Camp // Mi. 26.10.2011
Starthöhe: 3650m | Aufstieg: 850m | Abstieg: 180m | höchster Punkt: 4180m | Camping: 4180m

 

Mein Ego ist bei Erbsengröße angekommen. Ähnlich muss sich wohl ein Eichhörnchen nach überqueren einer vierspurigen Straße fühlen. Nicht, dass das Risiko wirklich groß ist, nein, es geht einfach um die erdrückende Ausgeliefertheit gegenüber etwas so unglaublich Übermächtigem. Es ist auch kein eigenes Unvermögen, nur Ohnmacht, nur Ameisenhaftigkeit. Mein Leben geht einen schnellen Takt, ich mag das so. Wenig Zeit zu grübeln - machen, erleben und genießen. Selten stellt sich Essentielles in Frage. Heute Nacht ist das anders. Warum habe ich nur so wenig wichtige Ziele im Leben und warum verfolge ich sie mit so wenig Nachdruck? Warum lasse ich mich so treiben und warum bin ich so unfokussiert? Viele Fragen, wenige Antworten – nur einmal mehr der Vorsatz das zu ändern: Weniger zu tun und das dafür ordentlich, mehr Energie in die Pflege meiner Freundschaften zu stecken, mehr dafür zu arbeiten, dass Leute eine faire Chance auf der Welt bekommen, egal in welchem Ort sie geboren werden. Die Milchstraße wacht über uns, klar und nah wie man sie zu Hause nie sieht. Ein scharfer, kalter Wind weht um das Zelt. Eine unruhige Nacht steht mir bevor.

Der Tag im Italian Base Camp hatte schon schlecht begonnen. Matthias klagte über wenig Schlaf – die Erbsen des Vorabends hatten ihn geplagt. Mit den Erbsen hatte ich keine Probleme, allerdings dafür mit dem nächtlichen Sturm. Ein erster Blick aus dem Zelt offenbarte eine Änderung des Drehbuches. Die Karten sind neu gemischt - Neuschnee liegt überall und eine der Schlüsseletappen der Tour hatte eine  Zusatzschwierigkeit bekommen.

Vordergründig war beim Frühstück alles wie immer: freundlich, lustig und locker. Unterschwellig war eine gewisse Nervosität nicht zu leugnen. Wenig später brachen wir auf. Die Gedenktafeln am Bergsteigerfriedhof mahnen zur Vorsicht am Berg, doch noch war der Weg harmlos. Eine halbe Stunde über dem Italian Base Camp bildete sich eine Schlange. Das harmlose Gehgelände führte nun abrupt einen hundert Meter hohen Moränenhang hinunter. Normalerweise wäre das auch kein Problem, doch bei den aktuellen Verhältnissen machte die Vereisung und der Schnee das ganze zur Rutschpartie. Einmal Fahrt aufgenommen käme man erst zig Meter tiefer zum halten.

Die Nervosität der Mannschaften unterwegs wurde durch die Kunde der Verweigerung mehrerer Träger  nochmals gesteigert. Die Kollegen werden tageweise entlohnt und ein Teil des Summit Club Teams beschloss wohl, dass Lohn und Risiko nicht zusammen passten. In zügigem Tempo versuchten wir entsprechend den mächtigen Gletscher unterhalb der Südwestwand des Dhaulagiri zu überqueren. Spindrift, harmlos und dennoch beeindruckend, stob aus den mächtigen Rinnensystemen zu uns herunter. Wenn man sich mächtigen Schnee- und Eismassen unter unseren Füßen bewusst machte, so hätte man sich die sie ernährenden Schneelawinen aus der Wand über uns nicht vorstellen wollen.

Der Gegenaufstieg auf der gegenüberliegenden Seitenmoräne bot Gelegenheit zum durchschnaufen. Nicht weil er so flach war, nein, weil keine objektive Gefahren drohten. Die Entspannungsphase war kurz, bald ging das Gelände in eine Schlucht über. Unfassbar hoch sind dort die Wände um einen herum, immer wieder war in einiger Entfernung einiges Poltern zu hören. Kein Ort zum Verweilen.

Schließlich entspannte sich die objektive Gefährdung um uns herum wieder. Die Schlucht weitete sich, der Weg ging auf den Gletscher über. Hier unten ist dieser vergleichsweise wegbar, Krusten meterhohes Geröll überziehen das Gletschereis und ein passabler Trekkingpfad findet sich obenauf. Wenig überhalb des Lagers einer großen Gruppe schlugen wir das unsere auf. Es war erst kurz nach Mittag, dennoch aber genug für heute.

Wir ruhten im Zelt aus um für eine kurzes Dal Bat einmal noch ins Küchenzelt umzuziehen. Eine sehr ehrliche Mahlzeit um einen sehr ehrlichen Trekkingtag abzuschließen.

 

 




Tag 11 Trekking vom Japanes Base Camp zum Dhaulagiri Base Camp // Do. 27.10.2011
Starthöhe: 4180m | Aufstieg: 770m | Abstieg: 280m | höchster Punkt: 4800m | Camping: 4800m

 

Erste Sonnenstrahlen finden ihren Weg auf die Erde zu unseren Füßen. Der Tag erlöst die Nacht, das Leben startet wieder so ein bisschen von vorne. Gestriger Schwermut ist einer Leere gewichen, einer angenehme Leere, befreiend, Platz schaffend für Neues.

Der erste wirkliche Input des Tages ist dann Porridge. Eigentlich ekliges Zeug, zu Hause würde ich das nie runter bekommen. Auf Trekkingtour geht es aber. Dazu Cornflakes, Kaffee und Tee nach Gusto. Wir packen zusammen und machen uns auf den Weg. Noch zwei Tage werden wir auf dem selben Gletscher unterwegs sein. Ein eigenartiges Gefühl, eine fremde Welt.

Während der Weg noch einfach dahin geht gehört unsere Aufmerksamkeit den umliegenden Bergen. Sie umringen uns, wenn man den Gipfel einer dieser Siebentausender ansehen möchte muss man den Kopf ganz in den Nacken legen. Mein Gefühl für Dimensionen und Entfernungen versagt. Das ist gar nicht zu kapieren.  Hier gibt sich der Gletscher noch wie ein normaler Wanderweg, später wird er uns mit Geröllhalden ärgern.

Ein bisschen unwohl ist uns noch, körperlich. Die Höhe macht uns anscheinend schon etwas zu schaffen, immerhin befinden wir uns auf Gipfelhöhe des Mont Blanc. Ein bisschen ist es wohl auch die ungewohnte Umgebung. Bergriesen, Gletscher und diese Ruhe. Eine unglaubliche Ruhe, in wohl nur wenigen Momenten in meinem Leben habe ich eine solche Ruhe erlebt. Auch die kräftige Sonne des Tages setzt unseren Schädeln zu.

Wrackteile eines Hubschraubers bereiten eine skurrile Abwechslung, regen die Phantasie an. Beim Zustand der Überreste ist klar, dass es sich um einen üblen Unfall gehandelt haben muss. Einzelteile sind in weitem Umkreis zerstreut. Hubschauberflüge werden hier so gut es geht vermieden, hier kann man sehen warum. Egal ob es sich um einen Versorgungs- oder Rettungsflug handelte, er war auf jeden Fall keine gute Idee. Es ist unschwer zu erkennen, dass hier ein Fly-Out-Service nur eine bedingte Option ist.

Das Tagespensum heute ist überschaubar. Schon gegen Mittag kommen wir am eigentlichen Dhaulagiri Basecamp vorbei. Die Zeltplätze sind nicht belegt, es scheint im Moment keine Expedition unterwegs zu sein. Ein leichter Wind trägt die Anliegen von den Gebetsfahnen hinfort, die am Markierungspunkt des Lagers aufgespannt sind. Das ist alles.

Schon um eins erreichen wir unseren heutigen Lagerplatz. Alles ist schon aufgebaut als wir mit unserem Guide ankommen. Ihm ist die Vorarbeit nicht recht. Man braucht kein Nepali können um seinen Ärger der Unterhaltung mit dem Personal zu entnehmen. Prompt wird unser Zelt noch einmal versetzt. Nach dem Ritual aus Saft, Essen und Kaffee gehen wir zu einem Nickerchen über. Durch den offenen Zeltausgang haben wir Ausblick auf den Gipfel des Dhaulagiri. Ein ganz einfach eingerichteter Ort mit einem ganz großen Luxus.

Meine Gedanken kreisen sich um die Ereignisse des Tages. Schließlich bleibe ich bei einem Mentalitätsvergleich zwischen Nepali und den Latinos hängen. Beides für mich fremde Kulturen in die ich eintauchen durfte. Sanftmut versus Leidenschaft, Poesie versus Harmonie, Cumbia versus Chanting. Beides No Problem Countries, das verbindet sie. Ich mag die Leute hier, aber, ehrlich, mir fehlt hier etwas das Feuer, die Leidenschaft und auch irgendwie das intensive Leiden-können der Latinos.  

Das Denken wird prompt auf Zuruf unseres Guides durch handeln abgelöst. Im ernst, wir haben ganz schön zu tun, bis wir die Knoblauchsuppe, die Dhaulagiri Pizza, die Currynudeln und den Obstsalat aus der Dose unseren Verdauungsorgangen zugeführt haben. Zugegeben, den Speisen ist eine gewisse Schmackhaftigkeit nicht abzusprechen und dies ist bekanntlich der Motivation für die Kauarbeit wiederum sehr zuträglich.




 



Tag 12 Trekking vom Dhaulagiri Base Camp zum Hidden Valley // Fr. 28.10.2011
Starthöhe: 4800m | Aufstieg: 780m | Abstieg: 430m | höchster Punkt: 5360m | Camping: 5140m

 

Dank zwei Daunenschlafsäcken und zwei Isomatten war die Nacht erträglich. Furchtbar kalt ist es ist es hier oben. Noch dazu müssen wir heute früh raus, morgens ist das Wetter am Pass meist besser, unser Führer ist eh schon ganz nervös. Schlotternd packen wir unsere Sachen zusammen, einige Gruppen sind schon an uns vorbei gezogen. Mir fällt auf, wie viel Zeug wir dabei haben, alles nur damit wir zwei Touristen um einen Berg laufen können.

Zerklüftetes, gerölliges Gelände macht uns zunächst zu schaffen, dann verlassen wir den Gletscher und wechseln auf eine Seitenmoräne. Die Moräne hat Dimensionen wie Voralpenberge bei uns, unglaublich. Unser Guide schlägt heute ein sattes Tempo an, noch dazu lässt er es sich nicht ausreden, meinen Rucksack abzunehmen. Da ich nicht besonders stur bin überlasse ich ihm meinen Rucksack und jage ihn im Gegenzug in viel zu schnellen Tempo hinterher.

Wir überholen die Summit-Club Gruppe. Eine Stunde Vorsprung haben wir aufgeholt. Erste Teilnehmer der Gruppe kämpfen mit ernsten Höhenproblemen, schleppen sich mit Kopfweh, Unwohlsein und geschwächt den Berg hoch. Ihr Österreichischer Guide spaziert mit einem Rosa Sonnenschirm durch die Berge, sehr relaxt der Kollege.

Einmal steilt es sich noch auf, doch oben wehen Fahnen und stehen Leute. Endspurt auf den French Pass. Pässe sind immer etwas besonderes, sie markieren das Ende einer Etappe und erlauben einen den Einblick in eine neue Welt. Mühsam ist es hoch zu kommen, doch ein Ausblick wie er sich am French Pass bietet entschädigt für alle Mühen der Welt. Die uns bekannten Berge zeigen neue Gesichter,  vor uns öffnet sich ein wunderschönes Hochtal das wiederum von uns unbekannten Schneegiganten umringt ist. Ein Wahnsinn! Noch dazu ist der Pass die Schlüsseletappe der Tour, 5350m gilt es zu überwinden, die Luft ist dünn.

Entsprechend gibt es oben ein großes Hallo. Wir haben bestes Wetter, völlig überfordert sind wir nun: Sollen wir die Landschaft genießen, mit unseren Leuten und den anderen Trekkern feiern oder so viel es geht auf Bildern festhalten?  Wir geben unser bestes um allen drei Punkten gerecht zu werden. Hat man hier Pech mit den Bedingungen, so wühlt man sich durch hüfthohen Neuschnee. Wir haben perfekte Wegverhältnisse und einen relativ ruhigen Tag erwischt. Welch Glück.

Lange genießen wir, doch dann müssen wir weiter. Durch Schnee geht es hinunter in das Hidden Valley. Matthias und ich wünschen uns Ski herbei, rennen dann die Schneefelder hinunter. Unsere Nepalesischen Begleiter haben mit dem Schnee mehr Schwierigkeiten. Nach einer Stunde geht es in eine steppenartige Hochebene über. Wir kommen gut voran und lassen unsere Gruppe heute deutlich hinter uns. Unser Guide kommt eine halbe Stunde nach uns an und sieht recht platt aus. Das schnelle Tempo von heute morgen hat sich an ihm gerächt, nicht nur jetzt sondern auch heute Nacht wird er Probleme haben.

Wir schlagen unser Lager im Hidden Valley auf, andere Gruppen ziehen noch weiter. Zugig ist die dünne Luft hier oben, dafür haben wir eine exklusive Landschaft. Am Nachmittag vertrete ich mir noch etwas die Beine, Verdauungs- und Ausscheidungspaziergang. Ein einsamer Bergsteiger kommt die Hänge des Tukuche herunter. Es stell sich heraus, dass er der einzige Teilnehmer einer Expedition ist. Der Deutsche hat sich in den Kopf gesetzt den knapp Siebentausend Meter hohen Berg zu besteigen. Eine Begleitung hat sich nicht ergeben. Heute haben sie das Camp 1 auf 5600m eingerichtet, schlafen aber zur Höhenanpassung im Basislager. Den Weg dort hinauf wird er die nächsten Wochen noch oft gehen, unterstützt von seiner nepalesischen Mannschaft.
Schon zum Mittagessen sind wir im Camp. Kurz vorher gibt es noch ein Lunch Paket und natürlich folgt dem eine mittägliche Fressparty. Nachts bestellen wir nur zwei Gänge, Suppe und Pudding. Als man ungefragt noch Pfannkuchen vorbei bringt treten wir in Streik und lassen diese zurück gehen. An der Stelle hoffe ich, dass das Schreiben vom Essen nicht zu sehr nervt. Nahrungsaufnahme war aber durchaus ein sehr zentrales Thema unserer Unternehmung.

 




 

 



Tag 13 Trekking vom Hidden Valley (CHorten) nach Yak Kharka // Sa. 29.10.2011
Starthöhe: 5140m | Aufstieg: 500m | Abstieg: 1730m | höchster Punkt: 5260m | Camping: 3800m

 

Die ersten Worte in meinem Tagebuch wiederholen sich: “Kalte Nacht, unter -10, mit beiden Schlafsäcken gerade o.k.”. Kein Wunder, unser Campingplatz befindet sich auf 5150m, da sind die Temperaturen anders als an der Adria. Wie kalt es genau war wissen wir auch nicht, Matthias Thermometer geht bis -10°. Es war kälter. Mit einem -7° in einen 0° gestopften Schlafsack war es auszuhalten.

Unsere gesamte Mannschaft ist heute etwas träge, von der Kälte gelähmt sozusagen. Auch ich komme kaum in die Gänge, das schlechte Ei von gestern liegt mir immer noch schwer im Magen. Wundersam schön ist es in diesem einsamen Hochtal. Schön, kalt und lebensfeindlich. Zeit hier auch wieder runter zu kommen. Unser Tal liegt allerdings zwischen zwei Pässen, es gilt folglich erst den Dhampus Pass zu überwinden. Kurz geht es über Geröll, dann beginnen nicht mehr aufhörende Schneefelder.

Die Verhältnisse sind gut. Schönes Wetter herrscht, nur kurz unter dem Dhampus Pass wird es ungemütlich. Spin Drift pfeift uns um die Ohren. In meinem Leben habe ich schon viele Pässe überwunden – doch jedes mal wieder ist es ein besonderes Gefühl. Erst die Anstrengung, die Passhöhe hochquälen. Es ist die vertraute Umgebung der letzten Tage. Dann erreicht man die Passhöhe, mit jedem Schritt eröffnet sich ein bisschen mehr eine neue Welt. Oben dann die neue Umgebung und eine Gewissheit, die Gewissheit des Endes des Aufstiegs. So auch geht es uns am Dhampus Pass. Zu Türmen aufrichtete Steine, Gebetsfahnen und das Skelett eines Yak-Schädel markieren den zu Überwindenden Sattel. Zu unserer Linken liegt der Dhampus Peak, ein gerne mitgenommener 6000er. Zu unserer Rechten dann die geriffelte Nordwand des Tukuche. Ein hoher Sechstausender, die Wand ist einer der schönsten Anblicke meines Lebens. Fortan verliebe ich mich in dieses Bild.

Der Euphorie des geschafften Passes erfolgt die Ernüchterung des Abstieges. In der Mittagshitze geht es drei Stunden lang über nicht enden wollende Schneefelder hinunter. Immer neue Anblicke auf die Tukuche Nordwand trösten. Auch das Annapurna Massiv liegt nun direkt vor uns. Die Nilgiri Gruppe mit ihren Siebtausendern bildet ein beeindruckendes Bollwerk auf der gegenüberliegenden Talseite. Eigentlich eine perfekte Kulisse um beim Trekking die Blicke wandern und die Seele baumeln zu lassen. So viel zur Theroie. In der Praxis wird mein Wohlgefühl allerdings durch die mächtig nervöse Aura meines Trekkingguides deutlich geschmälert. Der Bub hat heute sein Abstandsradar zu mir auf maximal zwei Meter eingestellt. Keine Ahnung, was der so Angst um mich hat, im Grunde ist es wohl seine eigene Unsicherheit. Jedenfalls wird das mir langsam lästig, auf die meinige Gesten und Körpersprache aus dem ihm unbekannten Kulturkreis reagiert er nicht. Schließlich stoppe ich ihn und stelle ihn zur Rede. Unendlich genervt versuche ich trotzdem so diplomatisch wie möglich ihm vom persönlichen Freiheitsbedarf zu überzeugen. Erwartungsgemäß reagiert er mit einem „ich verstehe die Welt nicht mehr Blick“ und hält sich fortan von mir fern. „Oh, no problem Sir!“ Die Distanz die er mir gewährt sind genau die fünf Meter Mindestabstand nach meiner Forderung. Es lebe der Unterschied der Kulturen, aber auch ich habe inzwischen genug asiatische Weisheit in mir aufgesagt, um zu akzeptieren was ich nicht ändern kann. Auch wenn es mir schwer fällt.  Der Gram in mir wird durch die faszinierende Natur gelindert.

Irgendwann finden die Schneefelder ein Ende, Weiden beginnen. Unsere Beine sind müde und der Tag wird lang. Mittagessen gab es heute keines. Wir wollten keines, der eigentliche Punkt ist aber das ausgegangene Kerosin. Kein Sprit, keine warme Mittagsmahlzeit. Endlich. Endlich finden unser Leute einen Platz auf dem sie das Lager aufschlagen. Wir laufen an Yaks vorbei, es sind die ersten lebenden ihrer Art die ich zu Gesicht bekomme. Schlechtes Wetter zieht am Abend herein, schnell essen wir das auf Holz gekochte Abendessen um uns in unser Zelt zurück zu ziehen. Eine stürmische Nacht folgt einem aufgewühlten Tag.

 

 




Tag 14 Trekking von Yak Kharka nach Marpha // So. 30.10.2011
Starthöhe: 3800m | Aufstieg: 110m | Abstieg: 1200m | höchster Punkt: 3800m | Hotel: 2700m

 

Auf einem Sofa sitzend trinken wir Marpha Apple Brandy - 25 up. Seltsam. Seltsam deshalb, weil wir die Annehmlichkeiten der Zivilisation genießen. Eine bequeme Welt, in zwölf Tagen Zelttrekking ist sie uns fremd geworden. Den Staub des Abenteuers spülen wir mit einem Duschgang hinunter, endlose Mengen warmes Wasser vertreiben den letzten Rest der Kälte aus unseren Knochen – wohltuend und befremdlich zugleich. Abendessen gibt es heute an richtigen Tischen mit richtigen Stühlen drumherum, wir werden heute Nacht in einem richtigen Bett in einem Zimmer in einem soliden Haus schlafen. Willkommen zurück in der Zivilisation, willkommen im Hotel Transhimalaya, Klopapier fakultativ.

Ein klarer friedlicher Morgen hatte den windigen Schneefall der letzten Nacht abgelöst. Wir durften ausschlafen, sprich erst um sieben aufstehen. Mit dem heutigen Morgen hatten wir endgültig alles Schwierige und Gefährliche hinter uns. Die Anspannung war von allen abgefallen, heute hatte niemand Streß. Ausgelassen palaverten unsere nepalesischen Begleiter, lachten und machten Späße. Zeitgleich saßen wir beim Frühstück, sahen den vorbeiziehenden Yaks und Ziegen zu. Es sollte ganze drei Stunden bis zum Abmarsch dauern. Wir jagten Geier, Blumen und Landschaften - mit den Objektiven unserer Kameras.

Korsische Landschaften, trockene Wälder mit windgebeugten Pinien, begleiteten uns beim Abstieg. Schweifte das Auge nach rechts, so zog der Tukuche es in seinen Bann. Geradeaus dann Nilgiri- und Annapurna-Gruppe mit kaum weniger Sexappeal. Links, also nach Norden blickend zeigten sich dann Marpha und Jomson mit ihren Plantagen, dahinter dann endloses trockenes Land. Hinter diesen Hügeln beginnt das sagenumwobene Königreich Mustang, bis vor wenigen Jahren Touristen unzugänglich. Dann, hinter Mustang, liegt die Tibetanische Hochebene.

Die Landschaft ist staubtrocken, wir sind endgültig jenseits des Hauptkamms des Himalaya angekommen. Alle Monsumwolken aus dem Süden regnen sich an den Bergen hinter uns ab. Hier fällt kein signifikanter Niederschlag. In der Flussebene liegen fruchtbare Plantagen, dank Bewässerungswirtschaft. Marpha bildet eine klimatische Nische in Nepal: hier gedeihen Äpfel. Darauf ist man stolz, deshalb mussten wir auch den Apfelschnaps trinken. Hat gut geschmeckt, muss man probieren.

Dem Abstieg ins Tal folgend machten wir einen Rundgang durch die Stadt Marpha. Ein netter Flecken mit einiger touristischer Infrastruktur. Der Annapurna Circuit geht hier hindurch. Ging zumindest hier hindurch, eine große Zahl der Trekker fährt inzwischen auf der außerhalb der Stadt gebauten Straße vorbei. Die Straße ist Fluch und Segen zugleich. Segen deshalb, weil durch sie das Ende einer Steinzeitabgeschiedenheit für das Dorf besiegelte, medizinische Versorgung und Lebensumstände der Menschen verbessert wurden. Fluch deshalb, weil sie die Romantik des Trekabschnittes zerstörte. Wer mag schon auf einer autobefahrenen Straße wandern gehen? Entsprechend sind in der Stadt Touristen und ihre Übernachtungen zurück gegangen. Die Stadt hat aber auch einiges an kulturellem zu bieten. Ein buddhistisches Kloster und eine Pilgerstätte laden zum besichtigen ein.

„Sure, if you have medicine!“ ist die verschmitzte Antwort des Einheimischen auf die Frage, ob man denn das Leitungswasser trinken könne. Die Antwort war vorprogrammiert, hätte sich die seit eineinhalb Jahren reisende Deutsche auch denken können. Sie leistet uns heute Abend gesellschaft. Trinkwasserqualität am Wasserhahn ist das Privileg weniger Promille der Menschheit in bestimmten erste Welt Ländern. Als ich am Abend meine Sachen neu packe fällt mir der Überfluss in meinem Gepäck auf. Spielkarten, MP3 Player, Zusatzrationen an Riegeln, Brausetabs und Tee – alles nicht benutzt. Wie wenig man im Grunde doch braucht.




 

 



Tag 15 Trekking von Marpha nach Jomsom // Mo. 31.10.2011
Starthöhe: 2700m | Aufstieg: 200m | Abstieg: 70m | höchster Punkt: 2800m | Hotel: 2800m

 

So ähnlich mag sich ein junger Vogel bei den ersten Flugversuchen fühlen. Wir haben uns aus dem heimischen Nest in ein Trekkingabenteur katapultiert, haben wilde Urwaldtäler durchstreift um dann über hohe Pässe zu fliegen. Nun sind wir wieder gelandet, auf dem Boden der Tatsachen, in der sicheren Zivilisation. Alle Gefahr ist gebannt, doch ob wir darüber froh sind?

„Übertreibe es nicht!“, winkt mir Matthias mit dem Zaunpfahl. Ich entdecke mich als eine klischeegetreue touristische Fotomaschine, als ob ich neben mir stünde. Wild knipsend laufe ich überall in Marphas Buddist Monastry herum. Ich benehme mich in einer Art, die ich normalerweise zu tiefst verabscheue. Die erste Leere nach der überstanden Tour wurde offensichtlich durch eine überschwängliche Euphorie aufgefüllt. Es dauert einen Moment, dann kann ich meine Wahrnehmung wieder gewohnt schärfen. Schalte von Ablichten auf Begreifen und auf Erfühlen.

Die Wände an den Seiten des Hauptraumes des Klosters sind aufwändig bemalt, eine Buddhastatue ziert den Altar auf der Stirnseite. Neben schönen Kunstgegenständen ist hier auch einiges an Plastikkitsch angekommen, also leider nicht mehr alles stilecht. Unzählige bunt verzierte Schubladen beherbergen eine wertvolle Unmenge an Gebetstexten, die Mantras. Bunt bestickte Stoffe in schillernden Farben lassen einen endgültig einen Farbenflash erleben. Mönche leben hier ein einfaches Leben, umgeben von unzähligen Gebetsmühlen und bunt bemalten Holzschnitzereien. Ihre Zeit gilt der Meditation, dem Erlernen von Geduld und dem Erlernen von Bescheidenheit. Eine sehr sinnvolle Übung. Vor allem auch uns Westlern sollte man das als Zwangsprogramm auferlegen. Freilich geht das aber nur mit innerer Antriebskraft, viel Willen und viel Disziplin.

Wir kehren in das Transhimalaya zurück um unsere Sachen zu packen. Unser Weiterweg nach Jomson führt über die trockene und staubige Autopiste. Müde drein blickende Annapurna Umrunder begegnen uns. Auf der Straße zu laufen macht keinen Spaß, uns nicht und offensichtlich auch ihnen nicht. Es ist eine andere Trekkingwelt: ein bequemes Lodgetrekking, das sieht man den Leuten an. Mit dem Runterkommen von unserem Abenteuer überfällt mich nun endgültig eine Art postorgasmische Traurigkeit. Es ist eine generelle Absurdität des Bergsteigens, der Sucht nach Adrenalin und Risiko. Ist man auf dem Berg, so hat man das Ziel die Tour hinter sich zu bringen und wieder Nestwärme zu erfühlen. Zurück in der Zivilisation will man dann aber am liebsten gleich wieder weg, so kann man vor ihr erschrecken.

In Jomson erschrecken wir dann wirklich. Ein finaler Kulturschock überfällt uns. Supertrekker laufen wie Cowboys mit Hightechwaffen durch die Gegend. Statt Colts und Gewehre haben sie Superkameras und Turbo-GPS-Systeme in ihren Halftern. WiFi Schilder locken die Onliner in Cabercafes um ihre Blogs zu füttern und den Zustand der Blasen an ihren Füßen in die Welt hinaus zu twittern. Gleichzeitig erledigt der Laundry Service die Stinkewäsche. Abenteuer light, sozusagen.

Als wir am frühen Nachmittag in das Hotel zurückkehren ist unter unserem nepalesischem Begleitpersonal eine wüste Party im gange. Uns hingegen serviert man zunächst noch ein festliches Abschiedsessen, schön aber surreal. Als wir uns anschließend, nicht ohne das obligatorische Trinkgeldpäckchen, von unseren Freunden verabschieden, so hat die Mehrzahl von ihnen schon Mühe noch aufrecht zu stehen. Wir freuen uns mit Ihnen, die Jungs haben hart gearbeitet und sich das Feiern redlich verdient!

 




 



Tag 16 Rückflug von Jomsom nach Phokara // Di. 01.11.2011

 

Ein Flug von Jomson nach Pokhara soll uns ein ganztägiges Schleudersitz-, Rüttel- und Platzangstabenteuer per Bus ersparen. Doch der Flieger fliegt nicht, zumindest erst einmal nicht. Wir sollen mit dem dritten Flieger raus, doch um die Abflugszeit ist der erste Flieger noch nicht einmal angekommen. Unser Hotel liegt direkt am Flugplatz, dank der Erfahrung unseres Guides können wir es uns also erst einmal im Hotel bequem machen.

In Nepal haben Abenteuer nicht so schnell ein Abenteuer. In Jomsom sind keine Flugzeuge stationiert, sie kommen morgens leer aus Phokara. Dies tun sie allerdings nur, wenn sie nicht fürchten müssen von  Gebirgswinden erfasst zu werden und an den Bergen zu zerschellen. Normalerweise gibt es dazu ein windstilles Zeitfenster am Morgen. Heute aber nicht. Doch dann irgendwann kommt der erste Flieger rein. Für uns das Zeichen zum Aufbruch zum Flughafen. Ein eher etwas zu groß gewordener Kleinstadtbahnhof erwartet uns, die Abflughalle ist vollständig gefüllt mit unsicher drein blickenden Touristen aller Nationen. Ob unser Flieger geht kann erst einmal keiner sagen, nach zwei Stunden des Wartens wird uns dann doch ein o.k. Signalisiert.

„Die Dinger kenne ich,“ lässt mich Matthias über die kreischende zweimotorige Propellermaschine wissen „die habe ich damals noch gewartet bevor sie bei uns ausgemustert und hierher verkauft wurden.“ Mattihas arbeitet seit 15 Jahren schon nicht mehr als Flugzeugmechaniker. Das Verteilen von dicken Wattepfropfen für die Ohren bestärkt mein Vertrauen in den Blechvogel zusätzlich. Dann, in der Luft, sind die Sieben- und Achttausender um unser herum nur in seltenen Momenten und in Ausschnitten zu erkennen. Die werden schon da durch treffen, denke ich mir.

Tatsächlich kommen wir endlich in Phokara an. Eine Wand aus schwül warmer Luft haut uns um. Ein wilder Taxiritt durch die zweitgrößte Stadt Nepals bringt uns in das Hotel. Ein Luxusbunker, wir verabschieden Istwahr, lassen Wäsche waschen und brechen zu einer Tour durch die Stadt auf. Unsere Trekkingtour endet mit einer Freakshow in einem Strandcafe am Phewa Lake. Touristen aus allen Ländern der Welt spazieren vorbei, ein Künstler hackt auf seinen Mac ein, neben ihm sitzt in bunter Vogel im Mittelalterkostüm, Zigarre rauchend. Schließlich packt ein Malaye seine high End Canon aus und startet eine Fotojagd auf uns westliche Touristen.

 



 



Links:

Unser lokaler Tour Operator (danke Uli & Jutta für den Tipp):
http://www.beyondthelimitstreks.com/

Leos schöner Bericht:
http://www.palkovics.com/dhaulagiri_2011.html

Ein Photobericht:
http://www.martinbrake.de/Nepal/nepal.html

Bestes deutschsprachiges Forum dazu:
http://www.trekkingforum.com