Dhaulagiri Circuit - Teil 1
Ort: Dhaulagiri Himal / Nepal
Zeit: 17.10.-01.11.2011
Mit: Matthias
Aktivität: Expeditionsartiges Trekking (Dhaulagiri Umrundung)
Inside: Bericht & Bildergallerien
Ein paar Worte vorab
Zeit eine Reise zu tun. Zeit Neues zu entdecken. Als Bergsteiger hat man dann schnell Nepal im Visier. Doch die Auswahl an Treks ist groß und ich kenne mich nicht aus. Das Everest Gebiet fällt in der Peak-Season aus. Zu viele Touristen, geht nicht. Schnell haben wir uns auf den Tek zum Kanchenjunga Base Camp oder die Dhaulagiri-Umrundung eingeschossen. Für den Trek zum Kanchenjunga ist das Zeitfenster recht knapp, die Wahl fällt schließlich auf die Runde um den Dhaulagiri. Mit 8167m ist dies der siebt höchste Berg der Erde.
Mit Matthias habe ich diesmal einen umgänglichen und sehr erfahrenen Tourenpartner. Wir sind beide viel in den Bergen unterwegs, beide schon viel gereist und waren auch beide schon in Höhen über 6000m vorgedrungen. Es darf also eine anspruchsvolle Tour sein, etwas kribbeln. So sollte es dann auch sein.
Anders als auf vielen anderen Treks in Nepal stehen bei der Dhaulagiri Umrundung keine Lodges zur Verfügung. Es ist also ein klassisches sebstverpflegtes Trekking. Aufgrund der Dauer und des Höhenanspruchs wird der Trek typischerweise im Stil einer Expedition ausgeführt. Das heißt die Touristen werden Guides und Trägern begleitet, Touristen tagen nur Tagesgepäck. Die Begleitmannschaft kann da schon mal ein vielfaches größer sein, als die Zahl der Trekker.
Rein grundsätzlich ist es auch möglich, den Trek selbstständig ohne Unterstützung durchzuführen. Dazu gibt es Berichte und entsprechende Trekker sind uns begegnet. Ich bin viel, auch alleine, in den Bergen unterwegs und habe schon etliche Solotreks gemacht, doch hier würde ich deutlich davon Abstand nehmen. Zu groß sind die Entbehrungen, zu sehr wird der Genuss geschmälert und zu hoch ist das Risiko. Der Trek ist ernst.
Folglich bleibt uns die Wahl zwischen einem renommierten Reiseveranstalter mit Komplettpaket und einer lokalen Agentur. Wir entschließen uns für die zweite Variante. Es ist genügend Zeit für die Organisation und sind beide erfahren genug auch bei nicht komplett optimierter Organisation und Betreuung zurecht zu kommen. Außerdem bietet dies offensichtliche Vorteile. Der Preis wird günstiger, da kein Deutscher Overhead bezahlt werden muss. Wir bezahlen lokal einen fairen Preis, so dass im Endeffekt auch der Deal fuer die Gegenseite in Ordnung ist. Außerdem sind wir nur zu zweit als Touristen unterwegs, auf Tour also deutlich flexibler. Abstriche muss man natürlich auch machen, so haben wir kein Satellitenteflon für Notfälle bereit. Auf das Gemeinschaftszelt mit Tischen und Stühlen, sonst üblich, verzichten wir liebend gern. Wir wären sogar dagegen.
Es ist nicht nur das Fehlen von Führerlitertur und Wegweisern, die der Umrundung ihren Anspruch verleihen. Viel mehr ist es die Art der Tour. Die Verpflegung ist schwierig, Trinkwasser muss abgekocht oder behandelt werden. Geht es zunächst noch über Kleinbäuerliches Ackerland in den tief eingeschnittenen Bergtälern, so kommt man bald Tage später durch Urwald in den alpinen Bereich. Pässe weit über 5000m sind zu absolvieren. Dabei erfolgt die Akklimatisierung auf dem Trek, die Starthöhe beträgt gerade mal 900m über dem Meeresspiegel.
Eine unzureichende Akklimatisierung kann einem später nicht nur ordentlich zu schaffen machen, sondern ein wirkliches Problem werden. Die einfache Flucht nach unten, bei Höhenbeschwerden unabdingbar, ist auf Teilen des Treks schlicht nicht möglich. Zudem kommen im alpinen Bereich der Tour objektive Gefahren hinzu. Abhängig von den Bedingungen herrscht vor allem oberhalb des Italian Base Camps Lawinen- und Steinschlaggefahr. Die hohen Pässe sind oft Sturmwinden und manchmal auch Wintereinbrüchen mit meterhohem Schnee ausgesetzt. Harmlose Pfade verwandeln sich bei Neuschnee in Rutschbahnen über Abgründen.
Entsprechend froh waren wir über unsere erfahrene und Sicherheit bietende Begleitmannschaft. Wir hatten mit allen Umständen auf der Tour Glück und keine Probleme, so dass die Unternehmung für uns im wesentlichen sehr genussvoll war. So wurde die Tour am Ende fuer mich eine der eindrücklichsten aber auch angenehmsten Bergerlebnisse bisher. Eine faszinierende Reise durch ein sehr ursprüngliches Nepal.
Nepal Übersicht:
Dhaulagiri Circuit Übersicht:
[maps erstellt mit www.stepmap.de]
Tag 1 - Anreise und Tourstart - So. 16.10.2011 & Mo 17.10.2011
Mein Bruder ist so nett und bringt mich an den Münchner Flughafen, es ist Sonntagmorgen zehn Uhr und der Aufbruch in ein mir unbekanntes Land. Ich bin aufgeregt. Matthias ist am Gate anzutreffen und Oman Air bringt uns mit einem nächtlichen Zwischenstopp am Golf nach Kathmandu. Angenehm ist die Fliegerei nicht, diesmal geht es aber nur um ein Viertel des Planeten - da habe ich schon schlimmeres erlebt. Lediglich die grüne Bohne im Fliegerlunch sorgt bei mir kurz für Aufregung. In Wahrheit ist sie nämlich eine als Bohne getarnte Chili-Schote und beschert mir Atemnot und tränende Augen.
Der größere Schock tritt erwartungsgemäß beim Betreten des Zielflughafens ein. Eine neue Welt begrüßt uns mit feuchter Wärme und einem großem Paket Papierbürokratie bei der Einreise. Unser Hirn hat nicht schnell genug umgeschalten, unsere Sachen liegen auf dem Trolley eines privaten Ein-Mann-Dienstleistungs-Unternehmens noch bevor wir uns wehren können. Das Auslösen gegen Trinkgeld fällt nicht ganz so schwer, da wir auf diesem Weg die lästige Schlange beim Röntgen umgehen können. Mit ein bisschen Bakschisch ist hier alles deutlich unkomplizierter. Beim Verlassen des Flughafengebäudes und dem Betreten eines der schönsten und korruptesten Länder dieser Erde übernimmt der nächste Dienstleister unsere Taschen. Wir dachten, er gehört zum Reisebüro das uns abholt. Weit gefehlt. Der Bachel arbeitet für sich selbst und fordert horrende Summen für die aufgenötigte Dienstleistungen. Wir speisen ihm mit einem zwanzigstel der genannten Summe, immer noch viel zu viel, ab und fahren mit unserer Kontaktperson in das für uns gebuchte Moonlight Hotel.
Dank der morgendlichen Ankunft in Kathmandu können wir heute alles in Ruhe organisieren, abends schön ausgehen und das Trekking am nächsten Morgen schon starten. Einen Tag früher als geplant. Einen Tag weniger Moloch Kathmandu. Sehr schön.
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Tag 2 - Busfahrt von Kathmandu nach Beni // Di. 18.10.2011
Schon um Sieben werden wir vom Hotel abgeholt. Unser Kontakt von der lokalen Agentur und unser Guide verstauen unsere Taschen auf einer Fahrrad-Rikscha, dann geht es per Pedes einige Straßen weiter an eine Tankstelle. Jede Menge Einheimische sind um einen Toyota-Kleinbus versammelt und warten. Auf uns.
Unsere geplante Unternehmung ist ein expeditionsartiges Trekking. Im Konkreten heißt das, dass für zwei Wochen Fußmarsch mehr oder weniger alles Essen sowie ein Zeltcamp, inklusive Großküche, zu Fuß getragen werden muss. Es gibt auf der Tour weder Touristenunterkünfte, noch Restaurants, noch Einkaufsläden im signifikanten Maßstab. Es gibt auch keine Schilder. Folglich brauchen wir erst mal einen Guide. Dann brauchen wir einen Koch. Der Koch wiederum braucht einen Assistent. Damit das Essen zu uns Touristen gelangt braucht es noch eine Servicekraft. Schließlich werden noch Sieben Träger gebraucht um die Unmengen von Material durch die Berge zu tragen. Für uns zwei Touristen braucht es also in Summe elf Einheimische für die Wanderung für Fortgeschrittene. Manchem mag das absurd erscheinen. Uns nicht. Wir wissen, dass diese Tour sonst kaum möglich ist und begreifen unsere Unternehmung - im Ernst - auch als eine sinnvolle Maßnahme zur Schaffung von Arbeit in einem Land, in dem nur jeder Zweite Lesen und Schreiben kann und in dem jeder Vierte unterhalb der Armutsgrenze lebt. Wir haben einen fairen Preis für die Tour bezahlt und sollen dafür später belohnt werden.
An der Tankstelle werden wir unseren neuen Begleitern vorgestellt, unser Gepäck findet auf dem Dach und wir im Inneren Platz. Mit dem bis auf das Letzte ausgefülltem Kleinbus fahren wir nun nach Beni. Fahren ist etwas übertrieben, erst mal stehen wir. Im Stau. Irgendwann geht es dann wieder los. Jedenfalls herrscht auf der Piste nach Phokara heute mal wieder besonders viel Chaos. Statt der üblichen acht Stunden ins folgende Beni werden wir zwölf benötigen. Die wenigen Straßen in dem Land sind für westliche Maßstäbe ein Alptraum.
Da wir folglich im Dunkeln am Ziel ankommen, ist es schon zu spät für das geplante Zeltcamping am Stadtrand. Stattdessen beziehen wir eine Art Hotel. Es ist o.k.. Wir Weitgereisten haben schon viel gesehen und werden die Nacht in dem Loch problemlos überleben. Aber auch positive Überraschungen gibt es. Die lokalen Spezialitäten, Mittags MoMo Maultaschen und abends DalBat, schmecken äußerst lecker und meine Zweifel bezüglich ausreichender Ernährung - im Sinne von Genießbarkeit der lokalen Speisen - sind verflogen. Die Reise wird ein Gaumenfest werden. Das bestätigt sich nochmals beim Verzehr der ersten lokalen Banane. Nie wieder will ich die vergleichsweise unreifen Plastikbananen unserer Supermärkte essen. Das ist ungefähr so, als hätte man sein Leben lang instant Kaffee trinken müssen und würde dann zum ersten mal einen handgemachten Espresso in einem italienischen Cafe trinken. Wir werden mit Instant Bananen betrogen!
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Tag 3 - Busfahrt von Beni nach Darbang & Trekking von Darbang nach Darapani // Mi. 19.10.2011
Starthöhe: 1110m | Aufstieg: 550m | Abstieg: 110m | hoechster Punkt: 1560 m | Camping: 1560m
Auch wenn das Zimmer eine üble Bude und das Bad, eine unabgetrennte Dusche und ein Loch im Boden mit Eimer daneben, ein Alptraum ist, so ist das Frühstück am Morgen ganz ordentlich. Eier und Toast, liebevoll zubereitet. Es läuft zwar nicht nach Plan aber auch nicht schlecht. Wir widmen der Provinzstadt einen Bummel und unser Führer kauft für uns ein. Zunächst ein paar Flip-Flops und dann für jeden ein Gurka-Messer. Erstes wäre unerlässlich für die Tour und zweites ein Geschenk unseres Führers, lassen wir uns erklären. Istwhar kommt aus der Gurka Region, bekannt für ihre stolzen Krieger und deren Krummmesser. Wir tun unsere Verwunderung über den zusätzlichen Plunder mit der tröstenden Gewissheit ab, dass wir das Zeug die zwei kommenden Wochen nicht selber tragen müssen.
Als wir zurück kommen ist unser Personal intensiv damit beschäftigt unsere Expeditionsausstattung auf das Dach eines Tatra-Buses zu verladen. Der Local-Bus strahlt ziemlich viel Robustheit und Geländegängigkeit aus. Wertvolle Arttribute, sollen wir in der folgenden Fahrt nach nach Darapani feststellen. Unser Trupp füllt das Gefährt ziemlich gut aus, die Plätze neben mir und Matthias bleiben aber zunächst frei. Das ist angenehm, denn wie üblich ist der Fußraum für kräftige Mitteleuropäer zu klein und so bereitet das Geschüttelte nicht schon von Beginn an Schmerzen an Knien, Hüften, Schienbeinen und allen sonstigen unteren Extremitäten.
Meine naive Freude, also bei der üblen Fahrt doch ganz gut davon zu kommen, wird jäh beendet. Natürlich wird der Bus im Laufe der vormittäglichen Fahrt mit aufgelesenen Fahrgästen aufgefüllt. Erst die freien Sitzplätze, auch neben uns, dann der Gang und schließlich noch das Dach. Meine Knie schmerzen aufgrund des ständigen Drucks an dem Gestänge vor mir und ich bekomme fast Krämpfe, keinen Millimeter kann ich meine Haltung variieren. Das ist der Preis den man zahlt - die Gegenleistung: man ist mitten drin im Leben der Einheimischen. Ich liebe das!
Ein Erdrutsch der gerade frei gebaggert wird verlängert unsere Fahrt um eineinhalb Stunden. Hätte schlimmer kommen können. Weiß man aber nie so genau. Irgendwann kommen wir dann aber doch in Darbang an. Endstation. Beginn der Fußgängerzone. Einer der Kocher verweigert seinen Dienst und die Zubereitung des Mittagessens auf dem Fußballfeld des Dorfes dauert ein wenig länger. Die verpatzte Generalprobe für die Ausrüstung löst leichte Panik beim Personal aus. Zwei der Jungs kehren erst nach zwei Stunden aus dem Dorf zurück, dann aber mit einem Lächeln der Erleichterung. Es kann losgehen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Gehen. Endlich!
Tatsächlich sind alle ein bisschen nervös. Besonders Istwahr, dem die zahlreichen Pannen sichtlich peinlich sind. Bis jetzt ist ja aber kein wirkliches Problem aufgetreten. Wir Touristen jedenfalls genießen unsere ersten Schritte auf dem Trek. Ein eng eingeschnittenes Tal, kräftige grüne Farben künden von einer fruchtbaren Region. Reis, Hirse und Mais wir hier in aufwändig angelegten Terrassen angebaut. Wenn wir Dörfer durchqueren begrüßen uns freundliche Einheimische und neugierige Kinder. „Namaste“ schallt uns an jeder Häuserecke entgegen. Das wäre anders als in der Everest Region, meint Matthias, dort seien so viele Touristen unterwegs, dass die Leute dort schon völlig abgestumpft wären. Wir jedenfalls haben Spaß mit den Kids und Freude an der großartigen Landschaft. Teile des Annapurna-Massivs lassen sich heute vom Trail erblicken.
Als wir in Darapani, ein Dorf weiter unten als geplant, das Lager aufschlagen ist es bereits dunkel. Die Kinder aus dem Ort umlagern uns und sind von den Digitalkameras nicht mehr weg zu bekommen. Matthias lässt sich von einem Mädchen die Adresse auf Hindi aufschreiben. Er verspricht einen Abzug zu schicken. Die Älteren sprechen schon ein paar Wörter Englisch. „Have you Wife?“ praktizieren sie an mir. Ich kontere die Frage des Mädchens mit einem: „No. And do you have a husband?“. Als die Kleine das schlau mit einem „No, of course not. We are children!“ quittiert brechen alle in ein lautes Gelächter aus.
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Tag 4 Trekking von Darapani nach Muri // D0. 20.10.2011
Starthöhe: 1560m | Aufstieg: 850m | Abstieg: 520m | hoechster Punkt: 1720m | Camping: 1720m
Unser neuer Tag beginnt um halb sieben. Erst mit einem Fest für den Gaumen und dann mit einem für die Augen. Cornflakes, Omelette und Toast werden zum Frühstück serviert. Dann zeigen sich die Berge, vor allem die Dhaulagiri Nebengruppe. Ein klein bisschen sieht das Massiv so aus wie das Wetterstein, ein mächtige Bastion gleich einer Burg, einzelne Spitzen darin zählt man von zwei bis sieben durch. Natürlich ist der Vergleich mit dem Wetterstein ein Witz, das ganze ist in jeder Dimension mindestens drei mal so groß, Siebentausender sind das hier. Allerdings hat man sich nicht einmal bemüht ihnen eigenständige Namen zu geben. Wir bringen den Verschluss unserer Kameras zum glühen. Neben uns hat ein Japaner Fünftausend Euro Kameratechnik auf ein Stativ montiert. Hier wird mit schweren Geschützen gearbeitet. Nicht ohne Grund – die Berge sind der Wahnsinn!
Kinder beenden ihre Rauferei im Stroh als wir durch ein Dorf kommen. Touristen sind spannender als toben. Einer der Jungs fällt aus dem Rahmen. Er scheint das Produkt eines durchgereisten Weißen zu sein, auffällig sind seine helle Haut und seine roten Haare. Das wiederum nächste Dorf hält eine andere Begrüßung für uns bereit. Uniformierte sitzen in einer Kontrollstation. Sie überprüfen unsere Trekkerregistrierung (TIMs) und unser Permit. Unregistriert und ohne bezahlte Genehmigung kommt man in Nepal eigentlich nirgendwo hin, eine Sache die meinem innersten Geist zu tiefst widerstrebt. Ganz ohne Grund gibt es die Spielregeln ja nicht und ich will mich erst man dran halten.
Da es in Nepal seit jüngerer Zeit demokratische Strukturen gibt, man somit eine geringe Hoffnung hegen kann, dass nicht alle Gelder sofort in die dunklen Kanäle der Korruption verschwinden oder an ein selbstgefälliges Königshaus, fällt das abdrücken der wenigen Nepal Rupien für das Trekking hier nicht ganz so schwer. Der Kontrollposten kostet mich meinen ersten Kuli, man hat mich geschickt danach gefragt. Im Gegenzug dürfen wir ein Photo mit den Uniformierten, deren museumstauglichen Büchsen und uns darauf machen. Habe ich mich jetzt an Korruption beteiligt? Ich war doch nur verunsichert. Wenn ja, Schande über mich! Aber so fängt es an, mit den kleinen Gefälligkeiten. Wehret den Anfängen!
Felder, auf ihnen wird Reis und Hirse angebaut, wechseln immer wieder mit Dörfern. Ein Kleinkind läuft ungewickelt durch die Gassen, auf einem Dorfplatz wird Reis gedroschen. Das hier ist eine andere Welt als die unsrige. Ein Hund verfolgt uns. Mädchen kauen Zuckerrohr. Die Straße auf der wir laufen wurde vor eineinhalb Jahren mühsam in die Hänge gegraben. Zwei Regenzeiten haben nicht viel davon übrig gelassen. Zu kurzsichtig die Bauweise und zu stark die Monsunregen.
Heute waren wir zu schnell. Unser Equipment mit den zugehörigen Trägern kommt erst eine Stunde nach uns an. Da wir auch heute auf einem Dorfplatz campen ist das nicht zu schlimm. Eine ganze Rasselbande überfällt uns, kommt zu Touri gucken. Die Dorfjugend von Muri hat sichtlich ihren Spaß an uns, unterhält uns wiederum. Manchmal werden sie sogar zu aufdringlich und unser Personal verscheucht sie. Dann spielen sie wenige Meter weiter auf dem Platz Volleyball. Einfachste Mittel reichen ihnen zum Spielen. Drei Holzstangen bilden das Netz. Aus ein paar Pflanzenresten wird ein Propeller gebaut. Die örtlichen Räumlichkeiten für die Entledigung von Speiseresten sind so übel beieinander, dass man uns ein Toilettenzelt aufbaut. Eine zunächst eigenartige Erscheinung, hier jedoch sinnvoll. Wenn jeder hinter die nächsten Büsche kackt wird das ja sehr eklig.
Wir nehmen noch eine Naturdusche in einem nahegelegenen Bach bevor wir uns mit einer Knoblauchsuppe, frisch gebackenen Chips, Kartoffeln an Bohnen mit bürstigen Schoten, gefolgt von MuMu Maultaschen mit Salsa und einer abschließenden frischen Ananas den Magen ordentlich voll schlagen. Eine würdige Ergänzung zum dreigängigen Mittagsmenü.
Als wir zu einem Abendspaziergang durch das Dorf aufbrechen begegnen uns viele Brennholzträger. Abholzung ohne Wiederaufforstung ist hier ein gewisses Problem. Vor allem auch für die Dorfbewohner selbst, immer aufwändiger wird die Brennholzbeschaffung. Völlig überrascht werden wir dann von einem ganz unerwarteten Sonnenuntergangspektakel. Manapati und Dhaulagiri sind von wenig oberhalb des Dorfes zu sehen, eingehüllt in ein tiefstes Gold der Abendsonne. Bilder die man gerne einprägt um wenig später davon zu träumen.
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Tag 5 Trekking von Muri nach Bagar (Jeltung) // Fr. 21.10.2011
Starthöhe: 1720m | Aufstieg: 1060m | Abstieg: 960m | hoechster Punkt: 1880m | Camping: 1880m
Das Zelt in dem ich liege ist umgeben von Blumenfeldern, von den steilen Hängen eines tief eingeschnittener Tales, von den höchsten Bergen der Welt und von dunkler Nacht. Noch vor wenigen Minuten habe ich Notizen in mein Tagebuch gemacht, jetzt passiert der heutige Tag vor meinem geistigen Auge Revue. Lange dauert das nicht. Eine rechtschaffene Müdigkeit, genährt von der körperlicher Anstrengung des Tages, wiegt mich schnell in einen tiefen Schlaf. Der Tag war heiß. Regen wechselte mit schwüler Hitze, das T-Shirt blieb den ganzen Tag nass. Nass vom Regen, nass vom Schweiß. Ein zäher Tag mit ständigen auf und ab, kraftraubend ohne dabei Höhenmeter zu gewinnen.
Eine Suppe gefolgt von Dal Bat, Vegies, Salat und grünen Chili bildeten unser Abendessen. Bemerkenswert in zweierlei Hinsicht. Die Chili war so scharf, dass sogar unserer einheimischer Führer, eigentlich scharfes Essen gewöhnt, davon Schluckauf bekam. Zum Anderen des DalBat wegens. Das nepalesische Nationalgericht ist ein Phänomen. Für die Himalayabewohner würde dieses Reis- und Linsengericht, ergänzt mit scharfem Gemüse und Fleisch nach Gusto, als einziges Gericht der Welt ausreichend. Morgens, Mittags und Abends. An allen Tagen der Woche und in allen Lebenslagen. Ein Guide mit dem ich später unterwegs war bestellte immer das gleiche Essen wie ich. Als er wiederholt die Hälfte davon zurück gingen lies erlaubte ich mir die Frage nach dem Grund. Er hätte ihm nicht geschmeckt, war seine Antwort. Die Frage nach dem, was er möge beantwortet er ohne einer Millisekunde des Zögens mit: „DalBat“! Für ihn war es ein Experiment mit vorprogrammierten Ausgang.
In meinem Schlafsack liegend überkommen mich Gedanken an meine Ausrüstung. Der Insektenschutz ist noch unberührt. Kurz frage ich mich, warum ich denn dafür Geld ausgegeben hatte und wieso ich dessen Gewicht mit mir rumschleppte. Ein Vergleich mit der Erste-Hilfe-Ausrüstung tröstet mich: Es ist wichtig, dass es dich begleitet und es ist besser, du brauchst es nicht. So sollte es bis zum Ende des Trekkings bleiben, mit dem Erste-Hilfe-Set und mit dem Insektenschutzmittel. Gut so!
Auch die heutige Wegführung bewegt mich noch einmal. Das Tal wurde enger. Nicht selten steilten die felsdurchsetzten Gras- und Waldhänge bis zu 60 Grad auf. Auf den mutig angelegten Pfaden trennten uns oft hunderte Meter vom tief eingegrabenen Flussbett unter uns. Dann folgten weiter geöffnete Passagen mit terrassierten Feldern. An Stelle der stattlichen Dörfer durchquerten wir nun nur mehr kleine Siedlungen und Gehöfte. Reisstrohgedeckte Dächer wechselten die Steindächer der Siedlungen darunter ab. Handgrosse Schmetterlinge vollführten ein Stelldichein am Wegesrand.
Für eine Weile drehen sich meine Gedanken um die Geschäftstüchtigkeit der Einheimischen. Unterwegs wurden uns Agaven und Bananen gereicht, eingekauft aus lokaler Erzeugung. Der Geschmack an sich ist schon unvergesslich. Tatsächlich hielt ich aber die dickste Banane meines Lebens in Händen. Unglaublich, was alles möglich ist – abseits der EU-Normen. Etwas weiter unten hatten zwei Mädchen und eine ältere Frau schon lokale Spezialitäten feil geboten. Mit ihren gefüllten Körben hatten sie sich am Wegesrand nieder gelassen und auf Touristen gewartet. Der Hirsewein den ich probierte schmeckte sehr säuerlich. „This is about as strong as beer.“ erklärte man mir. Tatsächlich verkraftete ich das Gebräu ganz gut, sowohl hinsichtlich der Alkoholpegels als auch auch der Verdauung. Der Neugier des Weltenbummlers steht bei solchen Versuchungen immer ein reicher Schatz an Erfahrungen mit Magenkrämpfen und Durchfällen gegenüber.
Kurz bin ich dann noch bei meinem Führer und seinem Verständnis von Service. Guter Service gilt den Leuten hier als höchstes Gut. Anfangs fand ich dieses fürsorglichste Tun noch als immens anstrengend, inzwischen war ich es einfach gewöhnt. Es ist normal geworden, dass uns die Trekkingstöcke während des Photographierens gehalten werden, normal, dass man sie uns aufhebt, wenn wir sie hingelegt haben. Gewöhnen kann ich mich daran auch den Rest des Trekkings nicht, aber ich lernte es zu akzeptieren - unter dem Gesichtspunkt, dass unser Personal nach seinen Maßstäben nur das beste tun will.
Eine letzte bewusste Minute Aufmerksamkeitgilt dem morgendlichen Start in Muri. Istwhar hatte uns ein bisschen vom kulturellen Hintergrund der Siedlung erzählt. Noch immer bin ich begeistert von der Vielfalt in diesem Land, dem Platz den Ethnien und Religionen ohne Probleme eingeräumt wird. Die Einwohner Muris sind mongolisch-stämmig, pflegen eine eigene Erscheinung und eigene Bräuche.
Schlussendlich gehöre ich dann wieder den Blumen um mich herum, den Bergen und dem Himmel und den wunderschönen Sternen. Gute Nacht!
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Tag 6 Trekking von Bagar nach Dobham // Sa. 22.10.2011
Starthöhe: 1880m | Aufstieg: 1060m | Abstieg: 460m | hoechster Punkt: 2520m | Camping: 2520m
Unser Freiluftfrühstück wird beobachtet. Ein kleines einheimisches Mädchen hat sich in Decken gehüllt und wohnt unserem morgendlichen Treiben bei. Sehnsucht liegt in ihrem Blick und ein bisschen Traurigkeit, ein bisschen Neugier und ein bisschen Lethargie. Befremdlich müssen wir wirken, Ausländer die umsorgt werden wie Fürsten. Unsere Sachen werden uns getragen und wir werden bekocht wie Könige. Von unserer Welt kennt sie nur dieses kleine Fenster. Internet und Fernsehen gibt es hier nicht. Ob sie wohl schon einmal in der nächsten Provinzstadt war? Immerhin ist diese schon drei Tagesmärsche entfernt. Sofort mag ich sie dafür, so zu sein. Ob sie davon träumt hier weg zu gehen? Weg aus der perfekten Idylle eines Dorfes? Weg aus dem einfachen Leben ohne Komfort? Im innersten Wünsche ich mir, dass die Welt auch zukünftig so sein wird, dass sie hier ihr Auskommen und Glück findet, dass sie eine vernünftige medizinische Versorgung und eine gute Bildung erfährt.
Tatsächlich beschweren wir uns heute über das Frühstück. Nicht wegen der Qualität, diese ständigen Unmengen kann jedoch kein Mensch essen. Gut schmecken tut es ja allemal. Man lässt uns heute frische Kuhmilch probieren. Lecker und ich werde die nächsten Tage auch nicht dafür bestraft. Das Frühstück verzehren wir auf dem Boden sitzend. Dankbar. Dankbar deswegen, weil keiner für uns Stühle und einen Tisch schleppen muss. Sonst ein durchaus üblicher Service.
Wir lernen heute die liebe Elke und den Paul kennen. Sie sind ebenfalls als Zweiergruppe mit Gefolgschaft unterwegs. Sowohl wir Trekker als auch unsere Leute verstehen sich auf Anhieb prima. Zwischen den Gruppen herrschte ein freundliches Verhältnis, gegenseitig wird ausgeholfen.
Im allgemeinen sind wir nun eher gemütlich unterwegs. Unser Guide bremst heute ein wenig, nicht dass wir wieder vor den Portern ankommen. Matthias wird unsere Unternehmung heute Abend völlig zu recht als Wettrasten bezeichnen. Wir selbst tun unser übriges zum langsamen Tempo. Die Speicherkarten unserer Kameras wollen gefüllt werden und unsere Miniexpedition hat keine Probleme mit unzähligen Photostopps.
Das eng eingeschnittene Tal ist von einem Urwald bewachsen. Lianen hängen von den Riesen, Moos und Flechten wohnen auf ihnen. In einem Garten wuchern Physalis, überall sonst macht sich Bambus breit. Ein Material das auch als Trekkingstock taugt, unser Führer schlägt sich einen eineinhalb Meter langen Stab aus einem Dickicht und wird ihn für die nächsten zwei Tage benutzen. Die Berge bekommen wir heute fast gar nicht zu sehen, so tief ist der Canyon eingeschnitten. Dafür staunen wir über die vielen, in endlos erscheinenden Kaskaden zu Tal stürzenden Wasserfälle. Sie scheinen sich gegenseitig in Spektakularität überbieten zu wollen.
Nicht ganz bestimmungsgemäß wird unser Expeditionseispickel heute zum graben des Toilettenloches verwendet. Wenigstens findet er so eine sinnvolle Einsatzmöglichkeit, für seinen eigentlichen Zweck werden wir ihn die ganze Tour nicht benötigen. Als das zugehörige Zelt darüber steht, darf ich es heute einweihen. Ein eigenartiges Gefühl. Es ist einiges los hier in unserem heutigen Lager in Dobham. Andere Trekkinggruppen haben ihre Zelte aufgeschlagen und eine Eselkarawane macht Rast hier.
Die nachmittäglichen Wolken haben sich mitsamt ihren Schauern zum Abend hin verzogen. Der Himmel ist nun sternenklar und die Nacht somit kalt. Nach dem üblichen drei Gänge Abendessen, heute bestehend aus Knoblauchsuppe, Nudeln serviert mit Tomatensoße und Käse mit frittiertem Gemüße anbei und gefolgt von einem Pudding als Nachtisch verfallen wir umgehend in ein Fresskoma. Eine Weile noch beobachten wir eine Raupe. Stupide und ausdauernd umkreist sie eine auf einem Stein aufgestellte Kerze die uns Licht im Zelt spendet. Was die Natur alles so treibt. Auch die Tatsache, dass heute Samstag Abend ist, hindert uns nicht daran uns um halb Neun in den Schlafsack zu verkriechen. Viel Schlaf ist nötig um die Unmengen geschmacklicher und optischer Delikatessen zu verdauen.
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Tag 7 Trekking von Dobham nach Pakhabam// So. 23.10.2011
Starthöhe: 2520m | Aufstieg: 950m | Abstieg: 350m | hoechster Punkt: 3200m | Camping: 3200m
Heute wird ein seltsamer Tag. Er beginnt damit, daß wir verschlafen. Wir waren quasi direkt vom Flieger weg in das Trekking gejagt, seit der Ankunft in Nepal pausenlos unterwegs. Irgendwie scheint heute mein Geist und meine Seele endlich auch in einem abgelegenen Gebirgstal angekommen zu sein. Mit reichlich Verspätung zu meinem Körper. Die letzte Nacht war voll von intensiven Träumen. Trekking ist anstrengend und ruft eine rechtschaffene Müdigkeit hervor, das Gefühl sich den Schlaf verdient zu haben.
Der komische Tag bleibt sich während des Frühstücks treu. Ein zu weich gekochtes Ei und Porrage, Haferbrei, passen nicht so recht ins Bild. Eigentlich kochen die Jungs immer ganz gut. Das Frühstück heute ist heute entsprechend nur mit reichlich Gegenwehr und auch nicht vollständig in den Magen zu befördern. Mit den ersten Schritten wird endlich es besser. Die Morgenluft ist heute deutlich frischer als sonst - kalt, könnte man auch sagen. Tief unter uns rauscht ein Fluss, die Wegführung zwingt uns ihm entgegen nach unten zu steigen. Bald finden wir uns in einen hochgewachsenen Urwald wieder, nur selten lassen die steilen Hänge und die Baumriesen einen Blick auf die Berggiganten um uns herum zu.
Das Hamsterrad in meinem Kopf hat heute endlich aufgehört sich zu drehen, ich steige aus und mir ist schwindelig. Zeit- und Geldsorgen bleiben zurück, ich setzte einfach nur noch einen Schritt vor den anderen. Herrlich. Gehen ist wohl das urmenschlichste Tun. Vielleicht mögen wir ja das Trekking deswegen so, einfach um dieses vergessene Gefühl auszugraben. Erst schießen mir noch tausende von schlauen Dingen durch den Kopf. Ein kurzes Gewitter, nur im Augenblick existent. Viel zu viel um es zu ordnen oder gar aufzuschreiben. Doch dann klärt sich alles und Harmonie kehrt ein. Das langsame, meditative Gehen schafft Raum und Ordung in meinem Kopf. Meine Gedanken sind bei denen, denen ich weh getan habe, bei denen, denen ich etwas zu verdanken habe und bei denen, für die ich Ungewisses empfinde. Die ersten bitte ich innerlich um Verzeihung, für die zweiten erwidere ich warme Dankbarkeit und für die dritten wünsche ich mir machtlos Klarheit. Nichts davon wühlt mich wirklich auf, die Gedanken erscheinen und verschwinden in einer völlig gelassenen Klarheit. Ein tiefer Frieden hat sich in mir breit gemacht.
Erst als wir die Wälder mit meterdicken Douglasien verlassen und eine Lichtung betreten schlage ich wieder in der echten Welt auf. Der blaue Himmel des Morgens ist nun dichten Wolken gewichen. Unsere Küchenjungs kommen uns vom Lager mit Orangensaft entgegen, welch schöne Geste. Als wir das Camp erreichen bin ich endgültig in der Wirklichkeit zurück. Ein trekkendes Pärchen steigt ab, sie ist Höhenkrank und schaut nicht wirklich gut aus. Das Camp wird durch einige terrassierte Felder gebildet. Die direkte Umgebung ist aber recht eingeschnitten und steil. In der Folge finden sich in der direkten Nähe des Camps jede Menge Tretminen die auch schon bei Nichtbetretung große Mengen schlechten Geruchs verbreiten. Toiletten sind auf solchen Treks ein schlimmes Problem. Ein letzter Duschservice versöhnt uns wieder etwas mit der Welt. Man kocht Wasser für uns und lehrt es in aus Bechern über unseren Körper. Der Trekkingtag war kurz, es bleibt die Zeit, die Stoppel aus dem Gesicht zu mähen. Es sollte für die folgende Woche die letzte Dusche und die letzte Rasur bleiben.
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Tag 8 Trekking von Pakhabam zum Italian Base Camp // Mo. 24.10.2011
Starthöhe: 3200m | Aufstieg: 625m | Abstieg: 130m | hoechster Punkt: 3650m | Camping: 3650m
Ob heute wohl Gäste zum Frühstück kommen? Keine Ahnung jedenfalls wer diese 20 Portionen Reisbrei, das Chapatti dazu, ergänzt von reichlich Rührei, essen soll. Es kommt niemand, wir füllen den Magen bis kurz vor die Überdruckgrenze und lassen den Rest zurückgehen. Das wird kein energieneutraler Tag, wir haben lediglich eine Drei-Stunden-Etappe zum Italian Base Camp vor uns.
Geschlafen hatten wir nur wenig länger als sonst. Himalaya Wetter, Sonne am Morgen und Wolken am Nachmittag, treibt einen aus dem Bett. Im Spaziertempo geht es zunächst durch dichten Bergurwald, der sich zusehends lichtet. Wir sind inzwischen auf 3300 Metern, Moose und Flechten finden ihren Lebensraum auf den wohl hunderten Jahre alten Bäumen. Rechtzeitig zum Lunch laufen wir im Italian Base Camp ein. Unterwegs haben wir den großzügig bemessenen Speicherplatz auf unseren Photos ein gutes Stück aufgefüllt. Da wir nur zu zweit sind gibt es auch kein Problem mit den endlosen Photostops, an Motiven mangelt es auch nicht.
Das Italian Base Camp liegt knapp oberhalb der Baumgrenze, und, knapp unterhalb der alpinen Zone am Dhaulagigi Massiv. Hier hat der Spass ein Ende, hier geht die Wandung in beeindruckende Bergsteigerei über. Auf einer Lichtung hat man Terrassen angelegt, ein paar Hütten sind als dauerhafte Siedlung errichtet. Arbeiter sind fleißig dabei, neue Gebäude zu errichten und Zeltplätze zu terrassieren. Man expandiert. Die Dhaulagiri-Umrundung hat Konjunktur - ohne Frage. Im Lager selbst herrscht reges Treiben. Sogar einheimische Frauen treiben sich hier herum. Zwölf Trekkerzelte kann ich zählen. Es sind doppelt so viele wie in den sonstigen Lagern. Am Italian Base Camp machen fast alle einen Rest Day. Hier beginnt ernsthaft die so wichtige Akklimatisierung. Aufgrund der niedrigen Starthöhe des Treks ist eine Akklimatisierung unterwegs unabdingbar, ab 3000m spätestens sollte man durch langsames Gehen und gezielte Ruhezeiten sich auf die Herausforderungen der Höhe einstellen. Missachtung wird bestenfalls mit ein bisschen Kopfweh bestraft, schlimmstenfalls mit ernster Höhenkrankheit.
Das üppige Mittagessen hat einen weiteren Beitrag zur positiven Energiebilanz des Tages geleistet. Um drohenden Adipositas entgegenzuwirken brechen wir zu einem Nachmittagsspaziergang auf. Hier herum zu laufen ist anstrengend für den Nacken und für das Hirn. Zum einen muss man den Kopf ganz weit nach hinten neigen um die Spitzen der Berge zu sehen, zum anderen kann man diese drei-, ja viertausend Meter hohe Wände um einen herum gar nicht kapieren. Das menschliche Hirn ist zu klein für so große Berge.
Von oberhalb des Camps haben wir einen Ausblick auf den Weiterweg von Übermorgen. Hunderte Meter hohe Moränen führen unter die Südwestwand des Dhaulagiri. Unter dieser muss man einen von Lawinen aus dieser Wand genährten Gletscher gehen bevor der Weiterweg in eine enge, steinschläggefährdete Schlucht Richtung Japanese Base Camp mündet. Wir sind beeindruckt. Keine ernsthafte Schwierigkeit für uns Bergsteiger. Da bin ich mit Matthias einig. Schnell muss man halt da durch, wegen der objektiven Gefahren.
Eine sauber aufgetürmte Altglashalde zeugt vom nicht geringen Alkoholkonsum hier oben. Die Porters und Guides haben hier offenkundig ihren Spaß. Recht haben sie. Hier ist nämlich eine gute Lokation um das Leben noch einmal zu feiern. Viele Bergsteiger sind von hier aufgebrochen um den Dhaulagiri zu anzugreifen, einige der Apsiranten sind nicht mehr zurück gekommen. Ihnen zu Ehren hat man Gedenktafeln aufgestellt. Aus allen Teilen der Welt kamen sie, angezogen von der gleichen unsichtbaren Magie – offensichtlich auch alle gleich verwundbar. Die Gemeinschaft der Opfer auf dem Bergsteigerfriedhof ist multinational.
Matthias und meine Unterhaltung beim Abendessen dreht sich einmal mehr um das Toilettenproblem. Auf Treks wie diesen ist das wirklich teilweise unangenehm und tatsächlich ein gewisses Problem. Anderswo sei das wohl mittels Kompost-Klos besser gelöst, aber die müsste man halt auch warten. Das Feuerholz ist ein weiteres Thema zwischen uns. Träger schlagen es aus dem umliegenden Urwald. Aufforsten tut den im Umkehrzug keiner. Eigentlich auch nicht gut. Wenigstens ist der Wald hier oben für eine systematische Ausbeutung zu abgelegen.
Später schließt die Unterhaltung auch unseren Guide wieder mit ein. Wir schalten auf Englisch um und er erzählt uns vom Reisen aus seiner Warte. Während wir Europäer ja recht problemlos überall hin können, gestaltet sich das für weite Teile der Weltbevölkerung anders. Für einen normalen Nepali, wie er einer ist, ist es ohne entsprechende Einlandung fast unmöglich für Europa ein Visum zu bekommen. Immerhin ist Istwahr schon ein Stück auf der Welt herum gekommen. Indien, Südkorea und Arabien hat er besucht. Er ist intelligent und kulturell bewandert, er kennt die Welt da draußen.
http://www.tramposito.com/index.php/travels/by-journies/nepal-2011/178-dhaulagiri-circuit-nepal?showall=1&limitstart=#sigProId20ec2f316b
Aus technischen Gründen ist die Dhaulagiri Umrundung auf 2 Beiträge aufgeteilt. Hier geht's zum Teil II.
Videos zur Tour gibt es hier.